Zockerliga, Wettmanipulationen und die Bochumer Staatsanwaltschaft: Wen interessiert schon eine fast 300 Seite starke öffentliche Einlassung zur Sache?



Veröffentlicht am 13. Juni 2012 von

„Zockerliga“ heißt der Titel eines Buches, dass die Stern-Journalisten Wigbert Löer und Rainer Schäfer über den von mir verteidigten früheren St.-Pauli-Profi René Schnitzler und seine Involvierung in den Fußballwettskandal geschrieben haben und in dem sie sich intensiv mit Renés Spielsucht und mit dem Thema „Glücksspiel und Profifußball“ auseinandersetzen. René Schnitzler kommt in dem Buch umfangreich zu Wort und nimmt en detail Stellung zu den ihm zur Last gelegten Spielmanipulationen, die er bestreitet. Richtig sei vielmehr, dass er dem holländischen Wettpaten Paul Rooij vorgegaukelt habe, er werde Spiele manipulieren, um diesen zur Zahlung von Geldern zu veranlassen, mit denen er Spielschulden begleichen wollte. Es lohnt auf jeden Fall, das Buch zu lesen.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat jetzt Anklage gegen René Schnitzler und 5 weitere ehemalige Fußballer, darunter auch der ehemalige Spieler des Vfl Osnabrück, Thomas Cichon, erhoben. In der der rund 150 Seiten starken Anklageschrift wird den Spielern die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung – nämlich der „Wettmafia“ um Ante Sapina – sowie Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Einem Angeklagten wird darüber hinaus noch eine uneidliche Falschaussage zur Last gelegt. Ein erster Blick in die Anklageschrift hat mich doch einigermaßen erstaunt. Es dürfte selten sein, dass der Staatsanwaltschaft in einem laufenden Verfahren eine fast 300 Seiten umfassende Veröffentlichung vorliegt, in der sich ein Beschuldigter detailliert zu den ihm zur Last gelegten Straftaten äußert. Dennoch kommt „Zockerliga“ in der Anklageschrift nicht vor. Kein Wort auch zu der von René für sich  reklamierten und aus meiner Sicht auch offensichtlichen krankhaften Spielsucht, die ja für die strafrechtliche Einordnung der Taten und für die Rechtsfolgenentscheidung von erheblicher Bedeutung sein kann. Auch im übrigen setzt sich die Staatsanwaltschaft mit dem umfangreichen Einlassungsverhalten Schnitzlers im Ermittlungsverfahren prima facie allenfalls peripher auseinander und stellt statt dessen Zusammenhänge mit behaupteten Wettmanipulationen anderer Spieler her, die aus meiner Sicht eher fernliegend sind.

Mehr als eineinhalb Jahre hat Staatsanwalt Bachmann für die Anklageerhebung benötigt, von einem „Schnellschuss“ kann also keine Rede sein. Die Verteidigung hat jetzt 3 Wochen Zeit, Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens zu erheben. Ich denke, dass es da Einiges vorzubringen gibt. Ich werde im strafblog weiter darüber berichten.


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