Ach ja, der Gustl! Ein Freispruch ist ein Freispruch ist ein Freispruch!



Veröffentlicht am 16. August 2014 von

Wie nicht anders zu erwarten war, hat das Wiederaufnahmeverfahren in der Causa Mollath mit einem Freispruch geendet. Für den zu Unrecht erlittenen mehr als siebenjährigen Freiheitsentzug ist dem Mann eine Entschädigung nach dem Strafentschädigungsgesetz zugesprochen worden. Die wird mit ca. 50.000 Euro dünn genug ausfallen, das Gesetz ist da reichlich knauserig.

Ich gehe davon aus, dass es damit sein Bewenden haben dürfte. Staatsanwaltschaft und Nebenklage werden wohl klugerweise auf eine Revision verzichten, und dem Gustl selbst, der wegen der Begründung des Freispruchs ganz unglücklich ist, steht hiergegen kein Rechtsmittel zu. Sonst würde er sicher noch eine Instanz weitergehen, schließlich ist er durch den Richterspruch aus seiner Sicht nicht hinreichend rehabilitiert worden. Immerhin hat das Regensburger Landgericht es ja erneut als erwiesen angesehen, dass Mollath im Jahr 2001 seine damalige Ehefrau mehrfach mit der Faust geschlagen, getreten, gebissen und gewürgt hat.

Ich kenne den Gustl Mollath nicht persönlich, habe allerdings eher zufällig einige seiner Unterstützer(innen) kennengelernt. Die kamen mir recht fanatisch vor und hatten keinerlei Zweifel daran, dass der Mann keinesfalls seine Frau misshandelt hat und offensichtlich das Opfer einer groß angelegten Intrige geworden ist, als er im Jahr 2006 vom Nürnberger Landgericht wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen worden ist.

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Es ist immer gefährlich, ein Verfahren zu beurteilen, an dem man nicht selbst teilgenommen hat und sich über einen Angeklagten zu äußern, den man nicht persönlich kennt. Nun ist das Ursprungsverfahren gegen den Gustl Mollath ja durch einen seiner Verteidiger, den Hamburger Kollegen Gerhard Strate, im Internet umfassend dokumentiert worden, und selten ist über eine strafrechtliche Angelegenheit so ausschweifend in der Presse berichtet worden.

Es erscheint offensichtlich, dass die Nürnberger Justiz seinerzeit nur ein bedingtes Aufklärungsinteresse hatte und jedenfalls reichlich nachlässig gearbeitet hat, als es dem zum Teil reichlich verquasten Verteidigungsvorbringen Mollaths keine Bedeutung beimaß und weitgehend darauf verzichtet hat, dieses zu überprüfen. Es spricht vieles dafür, dass es sich das Gericht zu leicht gemacht hat, als es die ebenfalls angeklagten Reifenstechereien trotz dürftiger Beweislage als nachgewiesen angesehen hat, weil das einfach ins Bild eines wahnbesessenen Täters passte. Es hat den Anschein, dass die psychiatrischen Sachverständigengutachten über den Gustl  nicht unbedingt lege artis zustande gekommen sind, was aber zumindest zum Teil daran gelegen haben dürfte, dass der sich schlichtweg nicht untersuchen lassen wollte.

Wie dem auch sei, es war ein in der deutschen Justizgeschichte unitäres Ereignis, als sich die damalige bayerische Justizministerin Merk aufgrund des großen öffentlichen Drucks im November 2012 dazu veranlasst sah, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, einen Wiederaufnahmeantrag zugunsten Mollaths zu stellen. Die Regensburger Justiz demonstrierte zunächst einmal ihre Unabhängigkeit, als sie – aus meiner Sicht wenig überzeugend – im Juli 2013 die Wiederaufnahmeanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung zurückwies. Da bedurfte es schon eines Diktums des OLG Nürnberg, um den Weg für eine Neuauflage der Beweisaufnahme zu eröffnen.

Der zwischenzeitlich für manche seiner Unterstützer zum Helden mutierte Herr Mollath hat es seiner Verteidigung im Wiederaufnahmeprozess nicht gerade leicht gemacht. Mandatsintern muss schon Einiges passiert sein, wenn sich die bis dahin überaus engagierte Verteidigung veranlasst sah, das Mandat während der Hauptverhandlung niederzulegen und später – allerdings ohne Erfolg – darum zu bitten, die dann erfolgte Pflichtverteidigerbeiordnung wegen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses zurückzunehmen.

Mollath ist offensichtlich keiner, den eine Verteidigung im wohlverstandenen Mandanteninteresse lenken kann. Der Mann hat eigene Ziele und Vorstellungen, die er auf Biegen und Brechen durchsetzen möchte, auch wenn ihm aufgrund fachkundigen Rates klar sein müsste, dass unser Strafprozessrecht dafür nichts hergibt. Für ihn ging es nicht allein um die Widerlegung der gegen ihn gerichteten Tatvorwürfe, er wollte nachweisen, dass seine Exfrau und die Bank, bei der diese seinerzeit gearbeitet hat, in riesige Schwarzgeldgeschäfte verwickelt waren, und dass ein Vernichtungsfeldzug gegen ihn inszeniert wurde, als er die Machenschaften offenlegen wollte.

Rechthaberisch ist der Mann, und irgendwie vielleicht doch ziemlich wahnhaft in seinen Ideen gefangen. Seine im Verfahren erörterten Briefe an Bundestagsabgeordnete, den Papst, an Gerhard Schröder, Kofi Annan und die Uno und die Vielzahl seiner noch angekündigten bzw. gestellten Beweisanträge deuten in diese Richtung.

Das Regensburger Landgericht hat festgestellt, dass die seinerzeit zur Verurteilung gelangten Reifenstechereien, die Grundlage für die Gefährlichkeitsprognose und damit für die Unterbringung in der Psychiatrie waren, nicht hinreichend nachgewiesen worden sind. Von diesen Vorwürfen wurde Mollath daher freigesprochen. Der darüber hinausgehende Freispruch ist der Tatsache geschuldet, dass auch im Wiederaufnahmeverfahren das Verbot der reformatio in peius besteht, wonach ein Angeklagte nicht schlechter gestellt werden darf als im angefochtenen Urteil. Und da war Mollath bekanntlich wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden.

Die Regensburger Richter haben – das wird Deutschlands berühmtesten Ex-Psychiatriepatienten und seine Hardcore-Unterstützer nicht freuen – nicht ausschließen wollen, dass Mollath seinerzeit tatsächlich wegen wahnhafter Vorstellungen schuldunfähig war. Vielleicht liegen sie damit gar nicht so falsch. Ich denke, dass der Freispruch samt Begründung in Ordnung geht und so jedenfalls gut vertretbar ist, zumal der in Regensburg angehörte Sachverständige Prof. Dr. Nedopil – ebenfalls auf eigentlich zu dünner Grundlage, weil Mollath sich auch von ihm nicht explorieren ließ – konstatiert hat, dass von dem Mann jedenfalls heute keine Gefährlichkeit ausgeht.

Es ist zu befürchten, dass sich in Deutschland noch etliche andere Menschen seit Jahren zu Unrecht in psychiatrischer Unterbringung befinden, weil ihre wirren Gedankenergüsse und Stellungnahmen allzu schnell dazu geführt haben, dass die Justiz nicht mehr so richtig hingeschaut und sich stattdessen reichlich bedenkenlos psychiatrischen Gutachten angeschlossen hat, die auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein müssen. Das hat aber weniger mit staatlich gelenkten Intrigen als mit menschlichen Fehlleistungen zu tun, die überall da auftreten können, wo Individuen zur Entscheidung berufen sind.


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