Dieser Ausspruch eines fiktiven Richters aus dem Mittelalter beinhaltete keine Beleidigung, sondern nur die Feststellung, wer da auf der Anklagebank saß.
Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden Tiere von weltlichen und kirchlichen Gerichten bestraft – zumeist mit dem Tod durch Erdrosseln, z.T. auch durch Verbrennen, Steinigen, Blenden, Auspeitschen, Teeren und Federn, Abschlagen von Gliedmaßen oder Haupt sowie Ausdärmen. Ca. 150 solcher Tierprozesse sind seit dem 9. Jahrhundert dokumentiert, ein Großteil davon in Frankreich.
Tierprozesse waren wie die Hexenverfolgungen ein Versuch, Katastrophen, Unfälle oder Verbrechen erklärbar zu machen.
Insofern enthält der 1993 von Leslie Megaheys gedrehte Film “The Hour of the Pig” (Pesthauch des Bösen) durchaus einen wahren Kern. In dem Thriller geht es um einen jungen Pariser Anwalt, der mit der Verteidigung eines Schweins beauftragt wird, das in einem noch im Mittelalter verhafteten französischen Dorf ein Kind ermordet haben soll. Er hält diese Aufgabe zunächst für Schwachsinn, stößt bei seinen Nachforschungen aber auf Ungereimtheiten in der Anklage, die ihn zum wahren Täter führen.
Die Schweinehaltung hatte sich seit dem Mittelalter in weiten Teilen Europas bis in die Städte ausgedehnt, wo sie sich unter dem Schutz des Heiligen Antonius frei in den Häusern und Straßen bewegen konnten. Nicht selten verursachten sie dabei Unfälle oder fraßen in einem unbeaufsichtigten Moment den ungeschützten – aber für Schweine anscheinend leckeren – Säugling ihres Besitzers.
Gerade Schweine – vielleicht auch weil sie dem Menschen so ähnlich sind – erhielten deshalb öfters als andere Tiere förmliche Vorladungen zu Gericht und wurden so nicht nur Opfer von Metzgern, sondern auch der Justiz, die ja schon immer gerne in fremden Handwerken herumgepfuscht hat.
Noch im 18. Jahrhundert wurde einem englischen Schwein in einem ordentlichen Gerichtsverfahren mit Richter, Ankläger und Verteidiger in öffentlicher Hauptverhandlung der Prozess gemacht, weil es ein Kind getötet hatte. Zur Abschreckung mussten alle Schweine der Region zusehen, wie das arme Schwein gehenkt wurde.
In einem ähnlich gelagerten Fall in Frankreich, wurde 1379 gleich die ganze Schweineherde wegen unterlassener Hilfeleistung zum Tode verurteilt, weil sie tatenlos zusah, wie ein Mitschwein dem Sohn des Schweinhirten den Garaus machte. Um die mit dem Urteil verbunden wirtschaftliche Katastrophe für den Schweinehirten abzuwenden, begnadigte der Herzog von Burgund in einem lichten Moment die Herde.
Aber nicht nur Schweine wurden vor Gericht gezerrt. Obwohl auch den mittelalterlichen Juristen durchaus klar war, dass Tiere einem Prozess intellektuell kaum folgen konnten und sogar streitig war, ob Tiere überhaupt eine Seele besäßen, wurden Missetaten von Pferden, Eseln, Kröten und Insekten aller Art in förmlichen Gerichtsverfahren behandelt.
Prozesse gegen Haus- und Nutztiere wurden zumeist vor weltlichen Gerichten verhandelt, während sich die Kirche eher mit Schädlingen, wie z.B. Ratten, Mäusen, Kröten und Insekten befasste.
Bei den Schädlingsprozessen ging es zumeist um territoriale Fragen. Hatten etwa Heuschrecken das Recht, sich auf dem bäuerlichen Feld aufzuhalten und die Ernte zu fressen?
So bestimmte ein angerufenes Gericht im 17. Jahrhundert, dass den Raupen im Tessin zwar ein Lebensrecht zustehe, sie aber die Felder zu verlassen hätten. Sie sollten ihr Lebensrecht gefälligst im Wald austoben.
In einem besonders schönen Prozess klagten 1713 Franziskanermönche in San Antonio / Brasilien gegen riesige weiße Ameisen, die ihr Klostergelände beanspruchten. Den Ameisen wurde ein kluger Anwalt beiseite gestellt, der darauf hinwies, dass die Ameisen schon viel länger in Südamerika lebten als die Mönche und überdies auch deutlich fleißiger als die Kläger seien. Das Gericht verlas das Urteil vor dem Ameisenhaufen und verwies diese auf eine von den Franziskanern zu beschaffendes Ersatzgrundstück.
Das Kirchengericht der Bischofsstadt St. Jean de Maurienne urteilte 1546 ebenfalls sehr christlich und stellte fest: “Gott hat die Erde mit Früchten und Pflanzen bedeckt, sodass sie alle seine Geschöpfe ernähre.” Mit dieser Begründung wies es die Klage von Weinbauern ab, die sich gerichtliche Hilfe gegen gefräßige grüne Käfer auf ihren Weinfeldern erhofft hatte.
Die Welt war damals halt noch in Ordnung – unterteilt in das Gute und das Böse – so wie der zum Glück ausgeschiedene amerikanische Präsident Busch und sein Gefolge es noch heute gerne sehen würden. Der Teufel trat häufig in Gestalt eines Tieres auf, und so führten Aberglaube und religiöse Vorstellungen zu den bizarrsten Prozessen, von denen wir heute als Strafverteidiger nur träumen können.
Im Mittelpunkt stand die böse Tat, die z.T. auch vom Opfer gesühnt werden musste. So besonders in Fällen von Sodomie, die seit 1532 durch Einführung der “Constitutio Criminalis Carolina” – dem von Karl V. erlassenen Strafgesetzbuch – nun auch offiziell in Europa geahndet werden konnte.
In Art. 116 der Carolina heißt es: “So ein Mensch mit einem Viehe, Mann mit Mann, Weib mit Weib Unkeuschheit treiben, die haben auch das Leben verwirkt, und man soll sie der gemeinen Gewohnheit nach mit dem Feuer vom Leben zum Tode retten.”
Aber auch außerhalb von Europa war Sex mit Tieren für beide Seiten, also Tier und Mensch, strafbar.
Dies musste der auf einem Bauernhof in New Haven lebende Mr. Potter 1662 leidvoll erfahren, nachdem ihn seine Frau mit der Familienhündin inflagranti erwischt hatte. In dem nachfolgenden Prozess kam das ganze Ausmaß von Mr. Potters Verbrechen zu Tage. Er wurde – nachdem der arme Hund schon zuvor gemeuchelt worden war – zusammen mit einer Kuh, zwei Kälbern, drei Schafen und zwei Ziegen zum Galgen geführt.
Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach
Der Artikel basiert auf „Prozesse gegen Tiere“ in dem Buch 50 Klassiker – Prozesse von Marie Sagenschneider; Gerstenberg Verlag
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