Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung: Das Land NRW kapituliert vor dem Verwaltungsgericht



Veröffentlicht am 16. Januar 2013 von

Das war heute morgen das erste Mal seit vielen Jahren, dass ich persönlich als Verfahrensbevollmächtiger vor einem Verwaltungsgericht aufgetreten bin. Um so schöner, dass es ein – allerdings nicht unerwarteter – Sieg auf der ganzen Linie wurde. Wir hatten für zwei Mandanten beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung gem. § 81b StPO erhoben. Den beiden 20-Jährigen war in strafrechtlicher Hinsicht der sexuelle Missbrauch Widerstandunfähiger vorgeworfen worden. Der Anzeige zufolge sollen sie eine ebenfalls 20-jährige Bekannte nach einem Disco-Besuch mit in die Wohnung eines der Beiden genommen haben. Gemeinsam habe man sich auf dem Bett zum Schlafen gelegt. Die junge Frau will irgendwann wach geworden sein und festgestellt haben, dass sie teilweise entkleidet worden war. Einer der Beiden sei dabei gewesen, den Geschlechtsverkehr mit ihr auszuüben. Der andere habe zugeschaut und geäußert, er wolle ebenfalls….

Die beiden jungen Männer haben die Sache völlig anders geschildert. Man habe sich in der Disco „angetanzt“ und dann gemeinsam beschlossen, in die Wohnung zu fahren. Alle seien leicht alkoholisiert gewesen, aber nicht betrunken. Es sei klar gewesen, dass es zu einem „Dreier“ kommen sollte. Darüber sei ausdrücklich gesprochen worden. Die junge Frau hätte doch gar nicht mit ins Taxi steigen müssen. Auch in der Wohnung hätte sie sich aktiv an den sexuellen Handlungen beteiligt. Als sie irgendwann gesagt hätte, sie wolle nicht mehr, hätte man auch sofort aufgehört.

Das Mönchengladbacher Polizeipräsidium hat, noch bevor überhaupt eine Einlassung zur Sache abgegeben wurde, die erkennungsdienstliche Behandlung der beiden Männer zu präventiv-polizeilichen Zwecken angeordnet und sie unter Androhung von Zwangsgeld zur Durchführung der Maßnahme vorgeladen. An der Aussage des angeblichen Tatopfers bestünden keine Zweifel. Obwohl der eine von den Beiden strafrechtlich noch nie und der andere vor etlichen Jahren nur bagatellhaft  in Erscheinung getreten war, begründe das gezeigte Verhalten die Annahme, dass es auch zukünftig zu ähnlichen Sraftaten kommen könne. Nach der Rechtsprechung seien Sexualstraftaten regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt.

Die polizeiliche Überzeugung von der Richtigkeit der Beschuldigungen überrrascht. Statistisch werden mehr als 70 Prozent aller Verfahren wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung oder ähnlichen Delikten eingestellt oder führen zum Freispruch. Zumeist natürlich nach dem Zweifelsgrundsatz, aber es ist nicht gerade selten so, dass ganz erhebliche Gründe für eine Falschbeschuldigung sprechen. Bisweilen lässt sich eine solche auch nachweisen. Es gibt insbesondere bei bislang nicht einschlägig in Erscheinung getretenen Beschuldigten keine allgemeine Erfahrung, dass an der Beschuldigung etwas dran sein muss. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gebietet es daher aus meiner Sicht, zumindest bei Erstbeschuldigten erst einmal abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Ermittlungen führen. Außerdem gilt auch hier der Grundatz:“Audiatur et altera pars“ – Man höre auch die andere Seite. Die Anordnung der ED-Behandlung noch vor Kenntnisnahme der Einlassung der Beschuldigten wird dem nicht gerecht und greift maßgeblich in Grundrechtspositionen ein.

Das beklagte Land hat zunächst Klageabweisung beantragt und seine Position auch noch aufrecht erhalten, nachdem die beiden Kläger mit Zustimmung der Verteidigung (und sogar auf deren Anregung hin) staatsanwaltlich vernommen worden waren und ihre Version vom Tatgeschehen kundgetan hatten. Die beiden Jungs waren sehr authentisch gewesen, deshalb hatten wir als Verteidiger entgegen den üblichen Regeln eine Vernehmung durch die Staatsanwältin  für sinnvoll gehalten. Die in Sexualstrafsachen sehr erfahrene  Frau sollte sich einen persönlichen Eindruck von den Jungs verschaffen.  Das Vorbringen der Beschuldigten rechtfertige auch weiterhin keine Zweifel daran, dass der Tatvorwurf zutreffe, hatte der Vertreter des Landes NRW  vorgetragen, nachdem ihm das Vernehmungsprotokoll zugänglich gemacht worden war.. Ganz anders sah das allerdings die Staatsanwältin, die das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt hat.

Der Einzelrichter, dem die Sache zur Verhandlung und Entscheidung übertragen worden war, machte aus seiner Haltung keinen Hehl. Auch ohne die Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft würde er die Klage für begründet halten, erläuterte er dem Vertreter des Landes. Und zwar gerade deshalb, weil die beiden Jungs nicht vorbelastet seien und weil sie eine durchaus lebensnahe Schilderung abgegeben hätten. Da müsse schon mehr hinzukommen, um eine präventiv-polizeiliche Notwendigkeit zu begründen. Vielleicht, so gab er zu bedenken, sollte die Polizei in solchen Fällen doch erst einmal abwarten, wie sich das Verfahren entwickelt.

Der Empfehlung des Gerichts entsprechend nahm der Vertreter des Landes daraufhin die Ordnungsverfügung zurück und erklärte für das Land die Bereitschaft, auch die Verfahrenskosten zu tragen. Ich habe als Klägervertreter das Verfahren daraufhin für erledigt erklärt. Die Landeskasse muss jetzt unsere Anwaltskosten bei einem festgesetzten Streitwert von jeweils 5.000 Euro erstatten. Bleibt zu hoffen, dass die Polizeibehörden vielleicht ein wenig daraus lernen. Zuletzt hat die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung schon bei Erstverdacht oder bei geringfügigen Vorbelastungen jedenfalls in meinem Tätigkeitsbereich ziemlich überhand genommen, und das ist nicht gut, finde ich.

 

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung: Das Land NRW kapituliert vor dem Verwaltungsgericht
Schlagworte: