Beleidigte Leberwurst



Veröffentlicht am 2. Februar 2015 von

Der Inhaftierte trägt passend zu seinem langen, schwarzen Bart einen dunklen Salwar Kameez, der ihm über die Knie reicht und seine ausgebeulte Jogginghose soweit verdeckt, dass sie – wie gemacht für das Gewand – als traditionelle Pluderhose durchgeht. Seine Füße stecken in dicken, grauen Wollstrümpfen und diese wiederrum in Schwimmbädern, aber auch in Gefängnissen, so beliebten Badelatschen. Betrachte ich nur diesen Ausschnitt und denke mir das Bild von Marc Chagall, welches in einem schiefen Holzrahmen die gelbe Wand hinter ihm verunziert, weg, könnte er genauso an einem Gewürzstand in der Peshawarroad in Islamabad stehen, nur dann wahrscheinlich ohne Wollsocken. Hier im Besucherraum der JVA aber ist es kalt. Während ich noch überlege, dass die billigen, nie maßstabsgerechten Nachdrucke dieser ewigen Chagalls, Picassos und Dalis und – wenn´s ganz schlimm kommt – van Goghs, ein grausameres Zeugnis der Lieblosigkeit sind, als der so verschmähte röhrende Hirsch vor einem schneebedeckten Alpenpanorama, setzen wir uns an den kleinen Tisch. Ich ziehe meinen schweren Holzstuhl näher an den Tisch heran. Die Stuhlbeine schleifen über den abgewetzten Linoleumboden und verursachen dabei ein Geräusch, das im ansonsten leeren Raum kaum wahrnehmbar nachhallt.

Er kennt mich, wird´s mir also nicht übel nehmen:

„Kennen Sie das Peace-Zeichen? Sieht aus wie so ein verunglückter Mercedesstern. Gibt´s auch als Amulette mit Kette, die man sich um den Hals legen kann. So eine bringe ich Ihnen beim nächsten Besuch mit. Wenn Sie die bei einer polizeilichen Nachvernehmung anziehen, könnten wir  Sie als durchgeknallten Hippie aus den 70iger Jahren verkaufen. Das könnte einen guten Eindruck machen?“, sage ich und lächele ihn dabei freundlich an.

„Muslimische Männer tragen nun mal lange Bärte –  und so. Ich bin stolz auf meine Religion, und das kann jeder sehen“, antwortet er.

„Klar“, erwidere ich. „Nur, dass Sie vor Ihrer kleinen Straftat mit gewissen Leuten aus einer gewissen Moschee telefoniert haben, die zufälligerweise vom Staatsschutz abgehört worden sind. Und jetzt vermutet die Staatsanwaltschaft, dass das Geld aus dem Einbruch nach Syrien geschickt werden sollte, um dort IS-Kämpfer oder andere verrückte Islamisten zu unterstützen. Könnte da was dran sein?“

„Das ist doch der totale Quatsch!“, antwortet er. „ Wir haben bei dem Bruch keine 100 € erbeutet. Für jeden einen Fünfziger, weil wir total pleite waren. Ich könnte mich heute noch für die schwachsinnige Aktion ohrfeigen! Und wenn die die Telefonate abgehört haben, dann wissen die auch, dass wir den IS und Gewalt ablehnen. Der Islam ist eine Religion des Friedens und der Liebe! Ich habe immer gesagt, dass ich mit Extremisten nichts zu tun haben will.“

„Also doch Peace, Love and Freedom“, entgegne ich. „Euch fehlen halt nur Drugs and Rock´n Roll?“

„Bitte, Herr Meister. Verarschen Sie mich nicht und beleidigen Sie meine Religion nicht!“, sagt er und schaut mir dabei bittend in die Augen.

„Ach komm!“, entgegne ich versöhnlich. „ Spiel nicht die beleidigte Leberwurst. War doch nur ein Spaß, oder verstehen Muslime keinen Spaß. Im Übrigen dürfte deine Straftat ja wohl eher eine Beleidigung deiner Religion und deines Propheten sein, oder darf man nach dem Koran stehlen?“

„Da haben Sie Recht!“, erwidert er zerknirscht. „Das war wirklich Scheiße, was wir da gemacht haben.“

Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach

 

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Beleidigte Leberwurst
Schlagworte: