Berufungsverhandlung ausgesetzt: Jetzt kann sich der Mann erstmal bewähren, wenn nichts anderes dazwischen kommt



Veröffentlicht am 29. November 2013 von

Für die Kollegin Nagel bin ich heute kurz als Verteidiger in einer Berufungssache vor dem Landgericht Mönchengladbach eingesprungen und zu erstaunlichen Erkenntnissen gelangt. Erstinstanzlich war der Mandant, dessen Strafregister zahlreiche – auch einschlägige – Vorstrafen aufweist und der auch schon etliche Male die Vorzüge des Strafvollzuges genossen hat und aktuell unter Führungsaufsicht steht, unter Zurückstellung von Bedenken zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe wegen Betruges in zwei Fällen verurteilt worden. Hiergegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt mit dem Ziel einer Strafe ohne Bewährung.

Ein erfahrener Oberstaatsanwalt war als Sitzungsvertreter erschienen und zeigte sich einigermaßen erstaunt über das Urteil der Vorderrichterin, die das Gesetz vielleicht nicht so ganz nachvollziehbar ausgelegt habe. Die dünne Hoffnung, dass der zum Zeitpunkt der Entscheidung noch inhaftierte Angeklagte es diesmal endlich begreifen werde, rechtfertige keine Strafaussetzung. Ich habe dagegen gehalten, dass sich in den paar Monaten seit der Haftentlassung doch Einiges zum Positiven geändert habe. Der Mann habe eine feste Arbeitsstelle, leiste in Teilbeträgen Schadenswiedergutmachung, sei wegen bestimmter Auffälligkeiten in der Persönlichkeit in Therapie und versuche gerade, mit seiner Ex-Ehefrau und den Kindern wieder ein Beziehungsleben aufzubauen. Der Mandant hatte sich zuvor verbal durchaus überzeugend präsentiert und schuldeinsichtig gezeigt. Auch hatte er Besserung gelobt. Die Bewährungshelferin meinte, wenn sie in der erstinstanzlichen Verhandlung dabei gewesen wäre, hätte sie sich ganz sicher gegen eine Strafaussetzung ausgesprochen. Inzwischen hätten sich die Dinge aber ansatzweise zum Positiven hin geändert. Der Proband halte regelmäßigen Kontakt, habe Arbeit, sei um eine Regelung seiner Schulden bemüht, aber letztlich sei die Zeit noch zu kurz, um tatsächlich zu einer validen Beurteilung zu kommen.

Der Staatsanwalt wies sodann darauf hin, dass gegen den Mann noch ein halbes Dutzend weiterer aktueller Verfahren, teilweise mit 2013er Aktenzeichen, anhängig seien. In einem Fall sei erstinstanzlich wohl eine mit dem vorliegenden Verfahren gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafe von 6 Monaten verhängt worden, über die Berufung sei noch nicht entschieden. Über die anderen Fälle lägen ihm keine aktuellen Erkenntnisse vor.

Das Gericht hat das Verfahren schließlich bis ins nächste Jahr vertagt. Bis dahin kann der Angeklagte sich nun bewähren, und außerdem werden die Akten der laufenden anderen Verfahren beigezogen, um sich ein Bild über die Situation machen zu können. Ich hoffe für den Mandanten, dass ihm die anderen Verfahren nicht den Bewährungs-Garaus machen, der Rest liegt jetzt an ihm. Es ist noch Hoffnung, habe ich der Kollegin Nagel letztlich sagen können.

Mal sehen, was kommt…


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