BILD entfernt abgemahnte Berichterstattung nach Zustellung der einstweiligen Verfügung



Veröffentlicht am 23. Januar 2014 von

Rainer Pohlen

Strafverteidiger Rainer Pohlen

Eine Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung, mit der wir für unseren Mandanten unter anderem die Entfernung persönlichkeitsrechtsverletzender  Berichterstattung über eine Anklage im Zusammenhang mit dem SS-Massaker im französischen Oradour aus dem Internet verlangt hatten, war von  BILD noch ignoriert worden. Erst nachdem wir am vergangenen Montag beim Landgericht Mönchengladbach eine einstweilige Verfügung erwirkt und diese per Gerichtsvollzieher zugestellt hatten, ist jetzt eine Reaktion erfolgt. Die inkriminierten Beiträge sind aus dem Online-Angebot von bild.de entfernt worden. Ob BILD es damit bewenden lässt oder ob gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt wird, bleibt abzuwarten. In Anbetracht der sehr offenkundigen Rechtsverletzung bin ich reichlich optimistisch, dass die Verfügung auch im Falle der Durchführung eines Hauptverfahrens ihrem wesentlichen Inhalt nach Bestand haben wird.

Die rechtswidrig erlangten Fotos meines Mandanten nebst der diskriminierenden Berichterstattung hatte BILD allerdings schon frühzeitig an französische und andere europäische Medien weitergereicht, wo diese nach wie vor im Netz kursieren. Vor allem in Frankreich hatte das für erheblichen Wirbel gesorgt, dem wir dort auch medial entgegengetreten sind. Es besteht aber noch erheblicher Handlungsbedarf.

Ich mache mir nur wenig Hoffnung, dass die einstweilige Verfügung dazu führen wird, dass bei BILD oder anderen Gazetten im Rahmen so genannter Verdachtsberichtserstattung künftig schonender und rechtswahrender berichtet wird. Die auflagensteigernde oder verkaufsfördernde Schlagzeile geht – so  scheint es – oft über alles und das Kostenrisiko von Rechtsstreitigkeiten wird einkalkuliert. Die meisten Betroffenen wehren sich wohl eh nicht, weil sie ihre Rechte nicht kennen oder das Risiko scheuen, sich mit einem Pressekonzern und dessen Rechtsabteilung anzulegen. Und wenn es doch einmal zu Rechtsstreitigkeiten und vielleicht auch zu Schadensersatzurteilen wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommt, kann das aus der Portokasse gezahlt werden.

Für meinen Mandanten, der trotz der (von ihm bestrittenen) schrecklichen Vorwürfe ganz sicher kein Nazi, aber dafür ein sehr liebenswerter Mensch ist, war die anprangernde Berichterstattung ein Desaster. Seit fast 70 Jahren trägt er schwer an Oradour, allein schon deshalb, weil er seinerzeit als junger Kerl vor Ort gewesen ist und das Massaker nicht hat verhindern können. Deswegen fühlt er sich schuldig, auch wenn er dabei bleibt, persönlich nicht einen Schuss abgegeben zu haben. Letzteres ist aus meiner Sicht nach sehr intensivem Aktenstudium gar nicht unwahrscheinlich.  Der von der Staatsanwaltschaft in der Anklage zitierte Hauptbelastungszeuge – ein elsässischer SS-Mann – hat die auch dem heute 88-Jährigen angelastete Erschießung von 25 Männern am Weinlage Denis in Oradour sehr genau beschrieben und dabei alle Personen, die daran teilgenommen haben, namentlich und in der Reihe ihrer Aufstellung benannt. Und in dieser Aufzählung kommt mein Mandant nicht vor. „Kann ja auch nicht, ich war ja nicht dabei“, sagt der dazu, und ich wüsste nicht, wie das widerlegbar sein soll. Und überhaupt hat keiner der zahlreichen in der Anklage aufgezählten Zeugen je seinen Namen genannt oder ihn irgendwie beschrieben. Die wenigen noch lebenden Zeugen konnten auf Vorhalt mit seinem Namen rein gar nichts anfangen. Die Beweisführung der Staatsanwaltschaft, die in der Anklageschrift gerade mal etwas mehr als eine Seite umfasst, überzeugt mich nicht einmal ansatzweise. Man wird sehen, wie die Jugendkammer, die über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden hat, dies beurteilt. Vorerst gilt allemal –  das muss auch BILD akzeptieren – der Grundsatz „in dubio pro reo“. Selbst wenn es um ein NS-Verfahren und um besonders schlimme Tatvorwürfe geht.

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Kategorie: Strafblog
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