Dass die Revison ein dünnes Eis ist, weiß jeder Strafverteidiger. Von der Statistik her führen nur Pi mal Daumen 7 Prozent aller BGH-Revisionen zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, eine maßgebliche Verbesserung wird sogar nur in rund 3 Prozent der Verfahren erreicht. Manchmal glaubt man, im angefochtenen Urteil gravierende Mängel gefunden zu haben, die zwingend zu einer Aufhebung führen müssten, aber dann kommt irgendwann der berühmte Dreizeiler der hohen Herren aus Karlsruhe oder Leipzig, und der verdutzte Anwalt fragt sich, ob die das Urteil und die Revisionsbegründung überhaupt gelesen haben.
Gerade habe ich mal wieder eine Revision begründet, die nach meinem Dafürhalten zwingend zu einer Aufhebung führen müsste. Da hat das Landgericht Mönchengladbach meinen Mandanten, einen Holländer, wegen unerlaubter Einfuhr von 20 Kilo Haschisch zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Die Kammer hat mit ihrem Urteilsspruch den Antrag der Staatsanwaltschaft um satte eineinhalb Jahre übertrumpft. Ich selbst hatte einen minderschweren Fall geltend gemacht und höchstens zweieinhalb Jahre beantragt. Zwar war die Grenze zur nichtgeringen Menge um das 267fache überschritten, aber es gab erhebliche strafmildernde Gesichtspunkte. Der Angeklagte war nicht vorbestraft, er hatte ein umfassendes Geständnis abgelegt, das Rauschgift – eine weiche Droge – war nicht in den Verkehr gelangt, der Mandant hatte ein untergeordnetes Interesse am Taterfolg, da er lediglich einen Kurierlohn von 1.000 Euro als Belohnung erhalten und das eigentliche Geschäft von den Hinterleuten gemacht werden sollte, die die Tat auch geplant hatten. Der Mandant hatte aus wirtschaftlicher Not gehandelt, weil er arbeitslos war und nicht wusste, wie er den Kindesunterhalt zahlen sollte.
5 Jahre sind in Nordrhein-Westfalen ziemlich happig für so eine Tat, wir sind doch nicht in Bayern! Ich war einigermaßen konsterniert über das Urteil, und auch die Staatsanwältin hatte ersichtlich nicht mit einem derart harten Urteilsspruch gerechnet. Keine Ahnung, was die Kammer da geritten hat. Die hat die Strafhöhe einzig und allein mit der Menge des Rauschgifts und der erheblichen Grenzwertüberschreitung begründet.
Reichlich dürftig fiel die schriftliche Urteilsbegründung aus. Der Angeklagte habe für seine Auftraggeber eine unbekannte Menge Haschisch von Holland nach Deutschland bringen sollen, heißt es dort. Er sei zu einem Parkplatz gefahren, wo die Auftraggeber ihm eine Sporttasche mit dem Rauschgift auf den Rücksitz gestellt hätten. Damit sei er dann über die Grenze gefahren und vom Zoll angehalten worden. In der Tasche seien dann 20 Kilo Haschisch festgestellt worden.
Kein Wort findet sich zu der Frage, ob der Angeklagte die Tasche überhaupt gesehen hat, ob er in irgendeiner Weise zumindest eine ungefähre Kenntnis von der Menge des Rauschgifts bekommen hat. Kein Wort dazu, ob ihm die Menge möglicherweise egal gewesen ist, weil er einen Generalvorsatz hatte, jede beliebige Menge mitzunehmen. Bezüglich der Menge fehlt es vielmehr an jeglichen Darlegungen zum Vorsatz, und zwar sowohl in den Tatsachenfeststellungen als auch in den Strafzumessungserwägungen. Kein Wort, nirgends.
Das habe ich in der Revisionsbegründung im Rahmen der Sachrüge detailliert vorgetragen. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass sich die Kammer in den Strafzumessungserwägungen nicht mit einem Wort dazu geäußert hat, dass Haschisch eine weiche Droge mit einem gegenüber anderen Drogen reduzierten Gefährlichkeitspotenzial ist. Insoweit dürfe nicht allein auf die erhebliche Grenzwertüberschreitung abgestellt werden.
Eigentlich sollte die Revision doch eine Bank sein, oder? Der Vorsatz bezüglich der Menge muss doch zumindest ansatzweise dargelegt werden. Ich wüsste nicht, wie der BGH an dieser Erkenntnis vorbeikommen könnte. Es sei denn, er begnügt sich mal wieder dem berühmten Dreizeiler, der seine Erwägungen im Bereich des Kryptischen belässt.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Da müsste die Revision doch eine Bank sein …. aber wer weiß schon, was der BGH daraus macht
Schlagworte:
vor: Ganz schön großzügig: 6 Millionen Dollar Schadenersatz für eine nicht...
zurück: OLG Frankfurt: Staatsschutzverfahren gegen vier Sikhs neigt sich dem Ende...