Aus den USA hören wir immer wieder mal, dass große Wirtschaftsunternehmen oder Banken Multimillionenzahlungen, manchmal gar Milliarden, geleistet und sich damit aus der Strafverfolgung herausgekauft haben. Bei uns in Deutschland, so sollte man meinen, ist das nicht möglich. Dagegen steht das unter anderem in § 152 StPO verankerte Legalitätsprinzip, wonach Straftaten, soweit es sich nicht um Strafantragsdelikte handelt, grundsätzlich von Amts wegen verfolgt werden und – soweit hinreichender Tatverdacht zu bejahen ist – nur unter bestimmten Voraussetzungen, die sich aus den §§ 153ff. StPO ergeben, ohne oder mit bestimmten Auflagen unter Opportunitätsgesichtspunkten eingestellt werden dürfen.
Bei Straftaten mit besonderem Gewicht, insbesondere bei Verbrechen, aber auch bei Taten, die konkret eine mehrjährige Freiheitsstrafe nach sich ziehen können, verbietet sich eine Verfahrenseinstellung. Eigentlich jedenfalls. Gewichtige Ausnahmen hat es allerdings schon gegeben, man denke etwa an das inzwischen schon lange zurückliegende Mannesmann-Verfahren, welches nach Aufhebung des erstinstanzlich erfolgten Freispruchs und Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf im Februar 2007 nach Zahlung von Geldauflagen in Höhe von insgesamt 5,8 Millionen Euro endgültig eingestellt wurde, weil damit das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt gewesen sein soll. Bei einem Untreuevorwurf mit einem Volumen in Höhe von immerhin 58 Millionen Euro, der dem damaligen Deutsche-Bank-Chef Ackermann, dem Ex-IG-Metall-Chef Zwickel, dem Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Esser und einigen anderen Beschuldigten gemacht wurde, war die Verfahrenseinstellung sicher alles andere als eine Selbstverständlichkeit und hinterließ bei nicht wenigen Kommentatoren den faden Geschmack einer Klassenjustiz.
Das Handelsblatt berichtet jetzt ganz aktuell darüber, dass die Schweizer UBS Bank einen Deal mit der Bochumer Staatsanwaltschaft über die Einstellung eines Verfahrens wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung anstrebt und dafür Millionenzahlungen und die Preisgabe von Namen führender Bankmanager im Deutschland-Geschäft des Bankenriesen anbietet.
„Beobachter erwarten, dass die Staatsanwaltschaft nur die Nennung eines aktiven und hochrangigen UBS-Managers in der Einstellungsverfügung akzeptiert“, heißt es bei handelsblatt.de. Genannt werden in diesem Zusammenhang die Namen von Urs und Jürg Zeltner. Ersterer war zwischen 2005 und 2007 Chef der UBS in Deutschland, letzterer bis Ende 2011 Chef des grenzüberschreitenden Verkehrs mit deutschen und österreichischen Kunden, heißt es in dem Beitrag. Seit 2012 sei Urs Zeltner „Vice Chairman Wealth Management Europe“ bei der UBS.
Dass die UBS über Jahrzehnte hinweg sehr systematisch deutschen Steuerzahlern geholfen hat, ihr Geld in der Schweiz vor dem Fiskus zu verstecken, ist ein ziemlich offenes Geheimnis. Insgesamt geht es dabei sicher nicht nur um Millionen, sondern um viele Milliarden, wobei es naturgemäß schwierig ist, bezüglich dieses Umfangs einen Tatnachweis zu führen. Da mag die Verlockung für die Staatsanwaltschaft groß sein, sich auf einen „Deal“ einzulassen, wenn zumindest die Kasse – also die Höhe der Geldauflage – stimmt. Ich kenne solche Vorgehensweisen noch aus dem Dresdner-Bank-Verfahren in den 90er Jahren. Da sind letztlich auch sehr viele Ermittlungsverfahren gegen zum Teil hohe Zahlungsauflagen wegen „Geringfügigkeit“ eingestellt worden, um der Sache vor Eintritt der Verjährung noch Herr zu werden. Ich habe damals selbst als Verteidiger an Einstellungen mitgewirkt und kann insoweit auf eigene Erfahrungen verweisen.
Klassenjustiz? Ich denke, dass man die Frage durchaus bejahen kann. Zumindest dann, wenn es um sehr komplexe Wirtschaftsstrafsachen und um große Schadensbeträge geht, kommt die Justiz bei der Aufklärung an personelle und organisatorische Grenzen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt rückt die Frage der Verjährung in den Focus. Kriegt man das Ganze überhaupt noch zeitgerecht auf die Reihe? Dann bietet sich der Abschluss eines Deals, um überhaupt noch einen einigermaßen vorzeigbaren Erfolg zu erreichen, durchaus an. Das weiß auch die UBS. Und deshalb stehen die Chancen, der Staatsanwaltschaft die Anklageerhebung abzukaufen, vermutlich gar nicht schlecht. Auch wenn das Legalitätsprinzip dabei auf der Strecke bleibt und das Opportunitätsprinzip überstrapaziert wird. Der (relativ) kleine Steuerbetrüger hat diese Möglichkeit jedenfalls dann, wenn es um einen zumindest sechsstelligen Betrag geht, in aller Regel nicht. Aber der ist ja auch keine Bank mit all ihren Möglichkeiten.
Vor dem Gesetz sind wir nach Art. 3 GG alle gleich. Vor der Justiz kann das – wie man sieht – anders aussehen. Als Strafverteidiger können wir viele Lieder davon singen.
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Kategorie: Strafblog
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