Zu viele Freisprüche – BGH: Rechtsbeugungsvorwurf gegen Richter muss erneut geprüft werden



Veröffentlicht am 27. Januar 2014 von

Der Rechtsbeugungsparagraf 339 gehört sicher zu den am seltensten angewendeten Strafvorschriften des StGB, was vielleicht auch am Krähenprinzip liegen könnte, das uns Strafverteidigern im Strafprozess immer wieder mal begegnet. Zu denken ist da insbesondere an die Vielzahl von Ablehnungen gut begründeter Befangenheitsanträge, bei denen man sich bisweilen fragt, ob ein Richter in den Augen seiner Kollegen, die über die Anträge zu entscheiden haben, denn überhaupt befangen sein kann. Mit manchmal angestrengt wirkender Argumentation wird in den ablehnenden Beschlüssen dargelegt, warum diskriminierende oder vorverurteilende  Äußerungen und skurrile Beschlüsse in den Augen eines vernünftigen und objektiven Angeklagten (in einen solchen können Richter sich anscheinend besonders gut hineinversetzen) nicht die Besorgnis der Voreingenommenheit begründen, zumal die unglückliche Verbalisierung von Vorurteilen ja durchaus menschlich ist. Da heißt es dann bisweilen, dass die inkriminierten Äußerungen „noch nicht“ die Besorgnis begründen, was wohl heißen soll, dass sie eigentlich schon die Grenze des Vertretbaren überschritten haben, aber eben noch nicht so ganz. So wie im Fußball, wo der Ball die Linie mit vollem Umfang überschritten haben muss…

Wenn ein Verurteilter, der den Schuldspruch so gar nicht akzeptieren will, einen Richter wegen Rechtsbeugung anzeigt, so hat das in aller Regel nur wenig Auswirkungen für den beschuldigten Juristen. Das Risiko für den Anzeigeerstatter, wegen vorsätzlicher falscher Verdächtigung angeklagt zu werden, ist da deutlich größer, denke ich.

Es kommt außerordentlich selten vor, dass die Staatsanwaltschaft mal gegen einen Richter den Griffel zückt und ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung einleitet, und wenn das doch einmal geschieht und es dann auch zu einer Hauptverhandlung kommt, dann ist die Freispruchquote ziemlich hoch. Richter dürfen nämlich irren und auch rechtlich ungebildet sein, wenn sie falsche Entscheidungen treffen, denn Rechtsbeugung ist ein reines Vorsatzdelikt.

Vor vielen Jahren war ich einmal in ein Verfahren involviert, in dem ein Richter in einer Vielzahl von Fällen mit Hilfe seiner Geschäftsstellenbeamten die Urteilsabsetzungsfristen manipuliert hatte, weil nicht auffallen sollte, dass er seine Entscheidungen nicht rechtzeitig fertiggestellt hatte. Damit hatte er zum Nachteil der Angeklagten jeweils einen absoluten Revisionsgrund verschleiert, was reichlich nach Rechtsbeugung roch. Er habe nicht gewusst, dass es sich bei der Verletzung der Vorschrift des § 275 StPO, wonach ein Urteil bei einer maximal dreitägigen Hauptverhandlungsdauer innerhalb von 5 Wochen zur Akte zu bringen ist, um einen absoluten Revisionsgrund handele, hatte der Mann argumentiert. Er habe die Vorschrift für eine reine Ordnungsvorschrift gehalten, die keine Auswirkungen auf das Revisionsverfahren hat. Und auch wenn Dummheit nach einem gängigen Sprichwort eigentlich nicht vor Strafe schützt, hat das damals dazu ausgereicht, gar nicht erst richtig weiter zu ermitteln. Der Mann wusste es eben nicht besser, basta!

Jetzt hat der BGH allerdings ein freisprechendes Urteil des Landgerichts Erfurt in einem Rechtsbeugungsverfahren gegen einen Amtsrichter aufgehoben. Der Mann hatte die Betroffenen in zahlreichen Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen, weil die Straßenverkehrsbehörde weder ein Messprotokoll noch den Eichschein für die bei der Geschwindigkeitsmessung eingesetzten Geräte zur Akte genommen hatte. Der Richter hatte argumentiert, wegen des Fehlens der Unterlagen könne er das Messergebnis daher nicht überprüfen. Es liege mithin ein im Verantwortungsbereich der Straßenverkehrsbehörde liegender Verfahrensfehler vor.  Auch nachdem das Thüringer Oberlandesgericht etliche Urteile wegen Verletzung der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts aufgehoben hatte, blieb der Richter bei seiner Urteilspraxis. Das trug ihm schließlich eine Anklage wegen Rechtsbeugung ein.

Das Landgericht Erfurt hatte in seinem von der Staatsanwaltschaft mit der Revision angegriffenen Urteil festgestellt, dass der Tatbestand der Rechtsbeugung objektiv vorgelegen hätte. Allerdings fehle es an einem Vorsatz, weil der Richter von der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung überzeugt gewesen sei. Deshalb sprach es den Richter frei.

Dem BGH reichte die Begründung des Landgerichts nicht aus. Es fehle an hinreichenden Darlegungen zu den subjektiven Vorstellungen des angeklagten Richters, meinte der 2. Strafsenat in seinem Urteil vom 21. Januar 2014 – 2 StR 479/13 -. Jetzt muss die Sache neu verhandelt werden. Für den angeklagten Richter bleibt es spannend. Rechtsbeugung ist ein Verbrechen, dass im Falle der Verurteilung zwingend zur Entlassung aus dem Richterdienst führt.

Merke: Zu viele Freisprüche können den Rechtsbeugungsvorwurf begründen. Zu viele Verurteilungen eher nicht….


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