… dann zahle ich Ihnen 50.000 Euro extra, Herr Anwalt!



Veröffentlicht am 4. Januar 2013 von

Wenn ich all das Geld, das mir im Laufe der Jahre völlig unverlangt für den Fall des Prozesserfolges versprochen wurde, auch tatsächlich bekommen hätte, dann würde ich wohl die eine oder andere Immobilie zusätzlich besitzen. Gleiches würde auch dann gelten, wenn alle Mandanten immer zuverlässig das vereinbarte Honorar bezahlt hätten. Als Strafverteidiger leben wir – das ist wie im richtigen Leben – nicht von Versprechungen und auch nicht von unterschriebenen Vereinbarungen, sondern letztlich von dem, was auch tatsächlich in der Kasse oder auf dem Konto landet.

Meine Erfahrung ist die, dass unverlangte Versprechungen fast immer von Mandanten kommen, die sich schon mit der Zahlung des vereinbarten Vorschusses schwer tun. Deshalb reagiere ich in solchen  Fällen auch regelmäßig so, dass ich darauf hinweise, dass es mir völlig ausreicht, wenn die vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden und dass ich keine zusätzliche Motivation brauche, um anständig und engagiert zu arbeiten.

Gerade erst habe ich ein Mandatsverhältnis beendet, in dem mir eine bescheidene Belohnung von 50.000 Euro für den Fall offeriert wurde, dass es nicht zu einer verbüßbaren Freiheitsstrafe komme. Der Mandant war seit vielen Monaten mit den vereinbarten Honorarzahlungen in Verzug. Ein halbes Dutzend mal hatte er mir kurzfristige Zahlungen zugesagt. „Ich erwarte nächste Woche einen größeren Geldeingang und Sie sind natürlich der Erste, für den ich dann eine Überweisung fertigmache!“ So oder ähnlich lauteten seine Versprechungen, aber immer wieder kam ihm etwas dazwischen. „Ihr Honorar ist gesichert, machen Sie sich keine Sorgen!“, wurde mir per email mitgeteilt, aber was nicht kam, war die avisierte Zahlung. „Ich habe jetzt endlich das Geld beisammen, Herr Pohlen, und weil es etwas mehr geworden ist, werde ich Ihnen noch 50.000 Euro zusätzlich auf Ihr Anderkonto überweisen. Das ist das Erfolgshonorar für Sie, falls sie eine Bewährung für mich raushauen!“ „Lassen Sie Ihre Versprechungen und überweisen Sie mir den Betrag, den Sie mir aufgrund unserer Honorarvereinbarung schulden“, mailte ich zurück, „mehr erwarte ich überhaupt nicht!“

„Am Donnerstag kommt das Geld!“, wurde mir vor mehr als drei Monaten mitgeteilt, aber aus der Nachricht ergab sich nicht, welcher Donnerstag in welchem Jahr gemeint war. Und dann war Funkstille. Keine email von mir wurde mehr beantwortet, auf kein Anschreiben erfolgte eine Reaktion, der Mandant hat sich für mich unsichtbar gemacht. Eigentlich sollte die mehrtägige Hauptverhandlung schon im November beginnen, aber dann wurde in der sehr komplexen Sache auf unbestimmte Zeit vertagt. Ich habe mir die Akten noch einmal kommen lassen, um herauszufinden, ob der Mandant dem Gericht vielleicht eine neue Anschrift mitgeteilt hat oder ob sich ein anderer Verteidiger für ihn bestellt hat. Letzteres ist bei zahlungssäumigen Mandanten nicht selten, und trotz anderer standesrechtlicher Vorgaben ist es inzwischen längst nicht mehr üblich, dass wir von neu oder zusätzlich mandatierten Kolleginnen oder Kollegen über deren Beauftragung unterrichtet werden. Das liegt bisweilen allerdings auch daran, dass der Mandant dem neuen Anwalt schlichtweg verschweigt, dass das alte Mandatsverhältnis noch nicht gekündigt ist.

Bislang hat sich niemand anderes für den Mandaten zum Verteidiger bestellt. Gerichtliche Zustellungen an den Mann, der seinen Wohnsitz im EU-Ausland hat, sind offensichtlich erfolgt. Er wohnt also wohl noch unter derselben Anschrift und will offensichtlich keinen Kontakt mehr zu mir. Vielleicht ist es ihm ja unangenehm, dass er seine zahlreichen Zusagen nicht eingehalten hat. Und Geld für meine Bezahlung hat er wohl nach wie vor nicht.

Ich habe das Mandatsverhältnis gekündigt und dem Gericht mitgeteilt, dass ich den Angeklagten aus Gründen, die nicht in der Sache selbst liegen, nicht mehr vertrete. Jetzt bin ich um fiktive 50.000 Euro und das vereinbarte Honorar ärmer und kann mich wieder voll auf die Mandate konzentrieren, in denen die Mandanten ihre Verpflichtungen erfüllen, ohne großspurige Versprechungen abzugeben. Die gibt es ja Gott sei Dank auch und davon leben wir. Und dann macht die Arbeit auch Spass!


Kategorie: Strafblog
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