Das muss jetzt aber unter uns bleiben. Der Kollege Pohlen kann´s einfach nicht.



Veröffentlicht am 14. Juli 2012 von

Lucasbosch

 

Mein Kollege und Freund Rainer Pohlen hat in seinem Artikel „Anwälte sollen rechtlich bedenkliche und überzogene Maßnahmen von Richtern einfach akzeptieren“ ausgeführt:

„Für mich ist das Nichttragen einer Krawatte seit mehr als einem Vierteljahrhundert zu einer Art Markenzeichen geworden.“

Ich kenne Rainer ungefähr seit diesem Vierteljahrhundert, und er ist nicht nur als Strafverteidiger, sondern überhaupt, ein fähiger Mann. Wie alle fähigen Menschen hat er auch seine Schwächen, die er ungerne offenlegt und – was menschlich ist – auch mal beschönigt. Und genauso verhält es sich mit dem zitierten Satz.

Klar, das Nichttragen des Kulturstricks ist zu seinem Markenzeichen geworden. Wie aber kam er dazu? Menschen, die ihn kennen, schätzen ihn wegen seines ausgeprägten analytischen Verstandes. Hatte er bei seiner Entscheidung für sein „Markenzeichen“ über den macho-psycho-historischen Hintergrund von Krawatten nachgedacht? War ihm vielleicht aufgefallen, dass es eine Korrelation zwischen männlicher Schwäche und Krawattenlänge und –breite gibt? Wollte er sich möglicherweise von den von ihm als spießig empfundenen Juristen, Versicherungsvertretern und Autohändlern abgrenzen, oder schnürten ihm die Langbinder bei seinen fantastischen und oft laaaaangen Plädoyers schlichtweg die notwendige Luft ab? Darüber mag manch einer spekuliert haben, ich aber kenne die Wahrheit.

Ich war damals sein Referendar, was kein Zuckerschlecken ist. Fragen Sie mal seine letzten Referendare. Er kann einem manchmal ganz schön auf den Nerv gehen, glauben Sie mir! Damals aber erwischte ich ihn in unserem alten Büro vor dem Spiegel. Er stand da und kämpfte mit einer Krawatte, die er sich unschön um den Hals geschlungen hatte. Der Krawattenknoten war eher zu einer Art Palstek verunglückt, der vielleicht ein Segelboot hätte zieren können, keinesfalls aber ausgehtauglich war. Schüchtern beobachtete ich von der Türe aus, wie er wütend mit dem Fuß aufstampfte und verzweifelt versuchte, den Knoten wieder zu lösen. Da bemerkte er mich. Verschämt zog er sich die Schlinge über den Kopf und warf den Strick in die Ecke. „So einen Scheiß ziehe ich nie wieder an!“, sagte er und verließ eilig das Büro.

Um ihm ein gutes Gefühl zu geben und nicht als Angeber dazustehen, verzichte ich seither ebenfalls auf die Krawatte, und so entstehen Legenden und Markenzeichen.

Als Jurist muss man vorausschauend denken, um seinem Kontrahenten gegebenenfalls die Luft aus den Segeln zu nehmen. Ich ahne bereits, auf welche meiner Schwächen Rainer in einer Replik hinweisen könnte.

Ich geb´s zu: Wenn ich Geschichten schreibe, nehme ich es mit der Wahrheit manchmal nicht so genau. Es war kein Palstek, sondern allenfalls ein misslungener Schotstek.


Kategorie: Strafblog
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