Das muss Liebe sein: Wenn Mandanten nachts um halb eins und morgens um viertel vor sechs anrufen



Veröffentlicht am 4. Dezember 2014 von

rp-Visitenkarte1Ich kenne Anwälte, die geben ihre Mobilnummer grundsätzlich nicht an Mandanten heraus und haben ihre Mitarbeiter/-innen entsprechend angewiesen, das auch nicht zu tun. Nicht einmal an Kollegen bzw. an Anrufer, die sich als solche ausgeben. Ich selbst habe da weniger Probleme. Meine Handynummer steht sogar auf meiner Visitenkarte, damit Mandanten mich in Notfällen jederzeit erreichen können,  wobei ich in der Regel darum bitte, von dieser Möglicheit auch wirklich nur in Notfällen oder nach Absprache Gebrauch zu machen.

Seit einiger Zeit vertrete ich einen ganz wichtigen Mandanten, nennen wir ihn Herbert Knösel. Nicht etwa, dass er wichtiger wäre als andere Mandanten, aber das sieht er möglicherweise anders. Deshalb kontaktiert er mich inflationär mit sms, E-Mails und Anrufen und fragt alle Nase lang nach dem Stand der Sache an. Ob ich denn die Stellungnahme schon rausgeschickt hätte? Ob ich mit der Staatsanwaltschaft gesprochen hätte? Ob die Sache denn eingestellt werde?

„Herr Knösel, ich habe noch nicht einmal Akteneinsicht erhalten, wie soll ich denn da eine Stellungnahme abgeben?“, habe ich ihm schon mehrmals gesagt. „Sie werden von mir völlig ungefragt unterrichtet, sobald ich die Akte vorliegen habe, dann können wir die Angelegenheit besprechen.“

Herr Knösel hat intensiven Gesprächsbedarf. Immer wieder fällt ihm noch ein wichtiger Aspekt zu seiner Causa ein, den er mir unbedingt zeitnah mitteilen muss. Auch außerhalb der normalen Bürozeiten. „Herr Knösel schreiben Sie ihre Gedanken einfach auf,“ habe ich ihm vorgeschlagen, „wir besprechen dann Alles einheitlich, sobald mir die Akte vorgelegen hat. Vorher kann ich die Relevanz ihrer Informationen ohnehin nicht so richtig einschätzen.“

Ich habe Herrn Knösel gebeten, mich vorerst nur noch zu kontaktieren, wenn wirklich wichtige Dinge anliegen, die keinen Aufschub dulden, wie beispielsweise polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen, Festnahmen, oder wenn er über meinen Kopf hinweg Vorladungen zu Vernehmungen erhalten sollte.

Vorgestern Abend hat Herr Knösel gegen halb eins nachts, als ich gerade zu Bett gehen wollte,  bei mir angerufen. Ich war kurz versucht, ihn wegzudrücken, als ich die Nummer im Display sah, aber dann habe ich mich doch erbarmt. Vielleicht war es ja so ein Notfall. Obwohl …. um diese Zeit? Er habe gerade mit seiner Frau über die Angelegenheit gesprochen, meinte Herr Knösel, und die sei jetzt stocksauer, weil er sie bislang noch nicht in das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren eingeweiht hatte.

Na, wenn das kein Notfall ist! „Jetzt nicht, Herr Knösel,“ habe ich ziemlich ungnädig gesagt, „mit ihren privaten Dingen muss ich mich um diese Zeit sicher nicht befassen!“ Ob ich denn mal mit seiner Frau reden könne, fragte der Mann ungerührt. „Bringen Sie sie meinetwegen zu unserer nächsten Besprechung mit, wenn sie das für richtig halten“, habe ich geantwortet, und ihn dann  mit einem keinen Widerspruch duldenden Gute-Nacht-Gruß weggedrückt.

Gestern Morgen um kurz vor sechs klingelte mein Handy. Noch ein wenig schlaftrunken und ohne Lesebrille unfähig, die Rufnummer im Display zu entziffern, habe ich das Telefonat angenommen. “ Hier Knösel“, meinte eine aufgeweckte Stimme, “ ich weiß ja, dass Sie ein Wenigschläfer sind, da kann ich doch sicher schon um diese Zeit anrufen“. „Nein, können Sie nicht!“, habe ich ziemlich unhöflich in die Muschel geknarzt und den Mann weggedrückt. „Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank!“, habe ich gedacht und mich noch mal für eine halbe Stunde umgedreht.

Danach hat Herr Knösel sich nicht mehr telefonisch gemeldet, auch keine sms und keine E-Mail geschickt. Auch heute Morgen nicht. Das beunruhigt mich.  Vielleicht ist er ja eingeschnappt, weil ich seine nächtliche Anhänglichkeit nicht erwidere. Ich sehe den Bestand des Mandates in Gefahr!

Aber mal ehrlich: Ein Mandat ist doch keine Liebesbeziehung, oder vielleicht doch? Liebe kann ja auch einseitig sein….

 


Kategorie: Strafblog
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