Der Enkeltrick: diffuse Zuständigkeiten, defizitäre polizeiliche Ressourcen, mangelhafte rechtliche Rahmenbedingungen und unkooperative polnische Behörden



Veröffentlicht am 31. Mai 2014 von

Das war eine recht ansehnliche Großaktion der deutschen und polnischen Polizei, die am vergangenen Dienstag zu zahlreichen Wohnungsdurchsuchungen und zur Vollstreckung von 14 Haftbefehlen gegen Mitglieder und Helfershelfer eines polnischen Romaclans führte, der angeblich seit Jahren mit dem sogenannten „Enkeltrick“ sein Unwesen treibt und damit zahlreiche mehr oder weniger hochbetagte Opfer aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz um beachtliche Beträge geprellt haben soll.

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Wie bei welt.de nachzulesen ist, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg und die Abteilung für Organisierte Kriminalität (OK) des hamburgischen Landeskriminalamts seit 2012 gegen die Tätergruppierung, die auf recht simple Weise ältere Menschen über´s Ohr hauen soll, indem sich telefonisch angebliche Enkel – manchmal sind es auch Neffen oder andere Verwandte – melden und eine akute finanzielle Notlage vortäuschen, in der sie dringend Hilfe bräuchten. Bisweilen wüssten die Angerufenen nicht einmal, dass sie überhaupt Enkel haben, und würden mit abenteuerlichen Geschichten hiervon überzeugt.

Sobald die Opfer ihre Bereitschaft zu helfen bekunden, werden diese dem Bericht zufolge von den Anrufern, die sich im Clanjargon „Keiler“ nennen sollen, sogenannte „Zwischenkeiler“ angerufen, die sich dann wieder mit „Abholern“ in Verbindung setzen, welche die zugesagten Geldmittel oder andere Wertgegenstände bei den hilfsbereiten vermeintlichen Großeltern abholen und nach Polen verbringen. Laut Staatsanwaltschaft soll sich der bislang ermittelte Schaden auf rund 1 Million Euro und 900.000 Schweizer Franken belaufen. Anderen Quellen zufolge ist von mehreren Millionen Euro die Rede.

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich recht viele Opfer aus Scham darüber, wie simpel sie reingelegt wurden, gar nicht erst bei der Polizei gemeldet haben. Laut bild.de sollen mehrere Fälle bekannt sein, in denen die Opfer Selbstmord begangen haben.

spiegel-online berichtet, das es sich bei den Haupttätern um den polnischen Staatsangehörigen Arkadius „Hoss“ Lakatosz und einige seiner Brüder handele, und dass diese schon 1999 in Hamburg den Enkeltrick entwickelt hätten. Nach einer Wohnungsdurchsuchung im Jahr 2001 sollen Arkadius und sein Bruder Adam sich nach Polen abgesetzt und von dort ihr Unwesen fortgesetzt haben. Systematisch hätten sie von dort aus Telefonbücher nach eher altmodischen Namen wie Emil oder Elvira durchforstet und sich bei ihren prospektiven Opfern mit „Rate mal, wer hier ist?“ gemeldet.

Arkadius „Hoss“ sei bereits 2007 einmal aufgrund eines Haftbefehls der Stuttgarter Staatsanwaltschaft festgenommen, dann aber wegen angeblicher Haftunfähigkeit wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Arzt hätte „Hoss“ damals gegen 25.000 Euro Belohnung ein Attest über ein schweres Herzleiden ausgestellt.

Für teure Autos, Gemälde und Partys soll das meiste Geld draufgegangen sein. Bei youtube sei ein Video zu finden, in dem zu sehen ist, wie Hoss-Sohn Marcin, der den lustigen Spitznamen „Lolli“ trägt, in der Warschauer Innenstadt einen 500.000 Euro teuren Mercedes SLR McLaren in einem illegalen Autorennen gegen einen Ferrari zu Schrott fährt und dabei noch etliche parkende Personenwagen rammt. Es soll auch zu Personenschaden gekommen sein.

Einige Nachbarn sollen dem SPIEGEL-Bericht zufolge „eine gewisse Befriedigung“ gezeigt haben, als der gute Hoss abgeführt und der McLaren nebst zahlreicher Gemälde, Vasen und Porzellan beschlagnahmt wurden.

Bruder Adam und ein weiteres Clanmitglied wurden in Polen ebenfalls verhaftet. In Deutschland kam es zu Durchsuchung und Festnahmen in Hamburg, Duisburg, Essen und an anderen Orten. Gegen insgesamt 48 Personen richten sich die Ermittlungen, die zunächst nur schleppend vorankamen.

„Fast alle Enkeltricktaten in ganz Europa werden von dieser einen Familie in wechselnder Beteiligung begangen. Wir kennen fast jeden der Täter, konnten aber aufgrund föderalistisch bedingter diffuser Zuständigkeiten, defizitärer polizeilicher Ressourcen, mangelhafter rechtlicher Rahmenbedingungen und unkooperativer polnischer Behörden selten wirkliche Erfolge verzeichnen“, der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz,  bei welt.de zitiert. Inzwischen scheint ja – wie der Ermittlungserfolg zeigt – eine Verbesserung eingetreten zu sein.

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Der Enkeltrick: diffuse Zuständigkeiten, defizitäre polizeiliche Ressourcen, mangelhafte rechtliche Rahmenbedingungen und unkooperative polnische Behörden
Schlagworte: