Der völlig überbewertete Anfangsverdacht



Veröffentlicht am 4. August 2013 von

Rechtsanwältin Birgit Rosenbaum

Rechtsanwältin Birgit Rosenbaum

Die Kollegin Birgit Rosenbaum hat sich in einem bei lhr-law.de unter dem Titel „Anfangsverdacht prüfen – vollkommen überbewertet“  veröffentlichten Beitrag mit dem Fall des inzwischen von mir verteidigten Kölner Kollegen E. befasst, gegen den die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz eingeleitet hat, weil er ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ohne Einholung der Erlaubnis des Verfassers zur Überprüfung an den von der Nebenklage erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnten Erstgutachter weitergereicht hatte. Ich hatte darüber im strafblog berichtet.

In ihrem lesenswerten Beitrag setzt sich Birgit Rosenbaum zunächst mit der Frage auseinander, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Gutachten als Sprachwerk oder als wissenschaftliches Werk überhaupt Urheberrechtsqualität haben kann. Zu Recht weist die Kollegin sodann darauf hin, dass § 106 UrhG nur „die unberechtigte Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe des Werkes“, nicht aber das bloße „Weiterreichen“ unter Strafe stellt. Aber immerhin liegt die Vermutung nahe, dass der Kollege das Gutachten zum Zwecke des Weiterreichens kopiert hat, was eine Vervielfältigung darstellen könnte. Aber da gibt es ja noch die Schranke des § 45 UrhG, der die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zur Verwendung vor Gericht explizit zulässt.

Birgit Rosenbaum spricht an einer Stelle vom „verschrobenen Juristenhirn“, das zugunsten des Zweitgutachters einen Anfangsverdacht „herbeisehnen“ könne. Ob dies im Falle des Staatsanwalts, der das Verfahren gegen den Kollegen E. eingeleitet und folglich einen Anfangsverdacht bejaht hat, der Fall war, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht hat er auch aus einer gewissen nonchalanten Nachlässigkeit heraus einfach auf eine Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafnorm verzichtet. Viel besser macht es das auch nicht. Die Unschuldsvermutung gebietet es, Strafverfahren nur dann einzuleiten, wenn eine Strafbarkeit bei abstrakter Betrachtungsweise und unter konkreter  Berücksichtigung der Faktenlage überhaupt in Betracht kommt.

Unschuldige verfolgen, ist auch eine Straftat, wobei hierfür natürlich ein (zumindest bedingter) Vorsatz auf Seiten der Staatsanwaltschaft erforderlich wäre. Da wird der Dezernent ggfs. eine unbeabsichtigte Nachlässigkeit für sich in Anspruch nehmen.

 


Kategorie: Strafblog
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