Die Elenden in Hamburg, und dann von Thüringen nach Garmisch und zurück



Veröffentlicht am 5. März 2013 von

Arbeitsplatz im ICE

Arbeitsplatz im ICE

 

Ultralang sind derzeit meine Arbeitstage, und Besserung ist nicht in Sicht. Am Wochenende war ich in Hamburg, habe dort mit zwei Mandanten gesprochen, mit dem Chef von Beckoffice über neue Ideen für den strafblog räsoniert und ganz nebenbei auch ein bisschen Privatleben gehabt. Immerhin hat´s zu einem Kinobesuch gereicht, „Les Miserables“ (Die Elenden) stand auf dem Programm, und irgendwie hat mich der Titel an einige Erfahrungen aus dem Berufsleben eines Strafverteidigers erinnert. Trotz einiger zweifelhafter Gesangsleistungen der Schauspieler hat mir das Spektakel gut gefallen, tolle Bilder hat uns Regisseur Hooper da präsentiert, die Maske war in der Tat oscarreif und Hugh Jackman hätte den Preis sicher nicht weniger verdient als die beeindruckende Anne Hathaway (die ihn ja tatsächlich bekommen hat). Ich finde, es gehört eine Menge Mut dazu, als Schauspieler ohne klassische Gesangsausbildung in einem Musical aufzutreten und selbst zu singen, die Unvollkommenheit hat auch ihren Reiz. Dem Russel Crowe liegen die hohen Töne nicht besonders, denke ich, aber er hat´s mit einem besonders strengen und oft unbeweglichen Gesichtsausdruck und unnachgiebiger Härte, die mich an manch fürchterliche Juristen aus dem eigenen Erfahrungskreis erinnert hat, kompensiert.

Um 4:49 Uhr bin ich gestern vom Hamburger Hauptbahnhof aus nach Thüringen gestartet, wo der 3. Verhandlungstag in einem Berufungsverfahren gegen den früheren Chef eines Reiseunternehmens stattfand. Ich habe dem Vorsitzenden schon am frühen Morgen gesagt, dass ich spätestens um 16:01 Uhr den Zug in Richtung Bayern nehmen muss, damit ich noch in zumutbarer Zeit nach München komme, wo ich auf der Weiterreise nach Garmisch-Partenkirchen übernachten wollte. Mehrmals habe ich zwischendurch an meine Abfahrtszeit erinnert, aber irgendwie kam kein Tempo in die Sache (an mir lag´s nicht) und die letzte Zeugenvernehmung war erst um Viertel nach Vier beendet. Das hieß dann für mich, zuerst noch mit meinem Mandanten nach Erfurt zu fahren, von wo ich um kurz nach 17 Uhr einen Zug nach München nehmen konnte, der mich (mit Umsteigen in Nürnberg) nicht allzu lange vor Mitternacht  in der Nähe meines Hotels absetzte. Puhh!

Um 7 Uhr wurde ich heute morgen am Hotel abgeholt, um ins schöne Garmisch zu fahren, wo es ab 9 um weniger schöne umweltgefährdende Abfallbeseitigung im besonders schweren Fall ging. Von mir angeregte Verständigungsgespräche scheiterten am Widerstand der Staatsanwältin, unsere tatsächliche und rechtliche Beurteilung lag zu weit auseinander. Gegen halb vier wurde nach der Anhörung etlicher Zeugen und Sachverständiger das Urteil gesprochen: 7 Monate mit Bewährung, das liegt nur ganz knapp über der Mindeststrafe von 6 Monaten, aber ich war trotzdem nicht so richtig glücklich damit, weil ich auf Fahrlässigkeit plädiert hatte und die für einen besonders schweren Fall herangezogene „Gewinnsucht“ nichts als gegeben angesehen habe. Eine Geldstrafe hätte meines Erachtens auch gereicht, aber das Urteil spricht bekanntlich nicht der Verteidiger, sondern (in seiner nicht immer grenzenlosen Weisheit) das Gericht. Das blieb zwar unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, aber eben doch über meinen Vorstellungen, die ich recht intensiv begründet hatte.

Jammern hilft nicht, so sind die Regeln. Es hätte ja auch schlimmer kommen können, jetzt muss – auch unter Kostengesichtspunkten – abgewogen werden, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll.

Derweil sitze ich schon wieder im Zug von München nach Erfurt, wo ich heute am späten Abend noch einen alten Freund besuchen und dort wohl auch übernachten werde, bevor es dann morgen in aller Frühe wieder nach Mühlhausen geht, zum 5. Verhandlungstag. Und dann stehen mir 5 ½ Stunden Bahnfahrt nach Düsseldorf bevor, wo ich mein Auto stehen habe. Donnerstag ist ein Kanzleitag, mit einem eingeschoben kurzen JVA-Besuch, am Freitag geht´s zusammen mit der Kollegin Viktoria Nagel mit dem Flieger nach München zu einer Erörterung mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft in einer diffizilen Wirtschaftsstrafsache. Und dann ist endlich wieder Wochenende ….


Kategorie: Strafblog
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