Die Skrupel des Polizisten nach dem Todesschuss



Veröffentlicht am 17. Juni 2013 von

Ich habe schon mehrfach Polizisten verteidigt, die in Ausübung ihres Dienstes geschossen haben, und weiß deshalb, dass kaum ein Beamter einen solchen Einsatz folgenlos wegsteckt. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Mensch – sei es auch ein Straftäter – schwer verletzt oder getötet worden ist. Aktuell bin ich immer noch in einem Fall tätig, in dem ein mit einem Messer bewaffneter Räuber von 2 Polizeibeamten auf frischer Tat angetroffen wurde. Es kam wohl zu einem Körperkontakt, jedenfalls lief der Räuber sehr nah an einem der Kripobeamten vorbei, und der hat dann geschossen und den jungen Täter recht schwer verletzt. Ich habe als Verteidiger im Rahmen des routinemäßig gegen den Beamten eingeleiteten Ermittlungsverfahrens Notwehr oder zumindest Putativnotwehr  geltend gemacht. Die Ermittlungen wurden zwischenzeitlich eingestellt, dann aber aufgrund einer Beschwerde des Verletzten, dessen Anwalt versuchten Mord oder zumindest versuchten Totschlag geltend macht, wieder aufgenommen. Noch ist das Verfahren nicht abgeschlossen.

Am Wochenende habe ich mir im Kino den bei uns gerade angelaufenen Film „The Place Beyond the Pines“ mit einem  (wie fast immer) faszinierenden Ryan Gosling, der aus Liebe vom Motorrad-Stuntfahrer zum Bankräuber mutiert, und einem ebenfalls überzeugenden Bradley Cooper angeschaut, der als ehrgeiziger Streifenpolizist mit dem Räuber aneinandergerät und diesen nach einer Verfolgungsjagd bei einem Schusswechsel tötet. Beide sind junge Väter von fast gleichaltrigen Söhnen, und dem Polizisten, der bei der Auseinandersetzung auch verletzt worden ist, macht das Bewusstsein, dem anderen Kind den Vater genommen zu haben, ziemlich zu schaffen. Er nimmt Kontakt zur Kindesmutter, die von einer Eva Mendes gespielt wird, auf und will ein wenig Wiedergutmachung leisten, was aber nicht gelingt. Der Polizist gerät in reichlich klischeehafte Auseinandersetzungen mit korrupten Kollegen, setzt sich gegen diese aber durch und wird schließlich Bezirksstaatsanwalt.

Seine Ehe ist längst auseinandergebrochen, aber da ist ja noch sein Sohn, der inzwischen 17 Jahre alt geworden ist, und der kommt mit seiner Mutter nicht mehr klar und wechselt deshalb in den Haushalt des Vaters, der mitten im Wahlkampf steckt und deshalb eigentlich gar keine Zeit für den Jungen hat. Und weil das Leben so seine Geschichten schreibt, trifft der Sohn in seiner neuen Schule auf den Sohn des Bankräubers, den sein Vater getötet hat. Der wiederum versucht schon seit längerem , etwas über seinen leiblichen Vater zu erfahren und ermittelt schließlich mit Hilfe des Internets und einiger anderer Recherchen, wer sein Vater war wie er ums Leben gekommen ist. Die beiden Söhne freunden sich an, bauen so einigen Mist miteinander, nur dem Einfluss des Staatsanwalts verdanken sie, dass sie nicht für längere Zeit ins Gefängnis müssen.

Auf einer Party im Hause des Staatsanwalts geraten die beiden Jungs in Streit und der Sohn des Bankräubers erkennt, mit wem er es zu tun hat. Er beschließt, sich zu rächen…

Regisseur Derek Cianfrance hat einen trotz mancher Klischees unkonventionellen Krimi gedreht, der mehrere Geschichten ineinander verwebt und von der darstellerischen Kraft seiner Protagonisten lebt. Vor allen anderen überzeugt der aschblond gefärbte und wild tätowierte Ryan Gosling, der – wie zumeist – gar nicht viel reden muss und neben seiner Athletik einmal mehr von der sinnlich-traurigen Kraft seines Gesichtsausdrucks lebt. Schade, dass er schon so etwa bei der Hälfte des Films stirbt und das Feld den anderen überlassen muss. Aber die machen´s ja auch alles andere als schlecht und sorgen dafür, dass Ryan, der im Film Luke Glanton heißt, nicht vergessen wird.

Es lohnt auf jeden Fall, sich den Film anzuschauen, finde ich, die Szenen von den Banküberfällen sind packend, die Musik – vor allem auch Bruce Springsteens „Dancing in the Dark“ –  passt wunderbar, die Psychodynamik der zwischenmenschlichen Beziehung beschäftigt einen über das Ende des Films hinaus.

Mein Tipp also: Anschauen!!!


Kategorie: Strafblog
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