Die Zeit spielt (fast) immer für den Angeklagten. Bewährungsstrafen im Prozess wegen Raubes mit Waffen.



Veröffentlicht am 13. Mai 2014 von

Justitia

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Das war knapp, aber es hat gereicht. Das Jugendschöffengericht Mönchengladbach hat gestern drei Angeklagte, darunter auch mein Mandant, denen laut Anklage ein gemeinschaftlich begangener Raub mit einer (nicht ausschließbar ungeladenen) Schreckschusswaffe vorgeworfen wurde, zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die zum Tatzeitpunkt bereits deutlich volljährige weibliche Angeklagte soll das Tatopfer, einen gehbehinderten Endfünfziger, der über Jahre hinweg eine Art väterlicher Freund gewesen sein will, zur Nachtzeit mit seinem Fahrzeug auf den unbeleuchteten Teil eines Supermarktparkplatzes dirigiert haben, weil sie austreten müsse. Einem vorgefassten Tatplan folgend seien dann die beiden männlichen Angeklagten, ein Heranwachsender und der erwachsene Freund der Frau, maskiert auf das Tatopfer zugekommen und hätten dieses zu Boden geschlagen. Einer der Täter hätte eine Pistole in der Hand gehabt. Dann hätten sie dem Mann 350 Euro und eine goldene Uhr abgenommen.

Auf schweren Raub steht gem. § 250 Abs. 1 StGB für Erwachsene eine Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren. In minderschweren Fällen verringert sich der Strafrahmen auf 1 Jahr bis 10 Jahre. Es ging also um ganz schön viel für die Angeklagten.

Das Tatopfer ist trotz entsprechender Ladungen viermal nicht zur Hauptverhandlung erschienen. Gestern war der Mann dann endlich da. Er hat x-mal beteuert, die Wahrheit zu sagen, aber man konnte da so seine Zweifel haben. Er hat Verletzungen geschildert und im Wege der Adhäsionsklage hierfür Schmerzensgeld verlangt, die er ersichtlich nicht erlitten hat. Er sprach von 2 Pistolen, welche die Täter mitgeführt hätten, obwohl bislang immer nur von einer Waffe die Rede gewesen war. Die Angaben zur Menge des mitgeführten Geldes und zu der goldenen Uhr waren widersprüchlich, und auch ansonsten war der Zeuge kein Highlight im Gerichtssaal.

Die weibliche Angeklagte hatte sich dahin gehend eingelassen, sie sei in der jüngeren Vergangenheit von dem Opfer wiederholt sexuell bedrängt worden. Sie hätte ihrem Freund nur gesagt, man solle dem Mann eine Abreibung geben. Von einem Raub sei keine Rede gewesen. Der jüngere Angeklagte hat zugegeben, die ungeladene Schreckschusswaffe mitgeführt und damit gedroht zu haben. Erst hätte der Mann tatsächlich nur von dem Mitangeklagten verprügelt werden sollen. Ganz spontan sei man dann auf die Idee verfallen, ihn zu berauben. Das tue ihm heute leid. Der Mitangeklagte hätte vorher nicht gewusst, dass er die Waffe dabei hatte. Eine goldene Uhr habe man nicht gesehen. Der ältere Mitangeklagte hat das so im wesentlichen bestätigt.

Das Tatopfer hat bestritten, die junge Frau sexuell bedrängt zu haben. Der Mann wies darauf hin, dass er doch seit Jahrzehnten verheiratet sei. Befragt, warum er denn zu den Polizeibeamten gesagt habe, sie sollten gegenüber seiner Frau den Namen der späteren Angeklagten nicht erwähnen, meinte er sinngemäß, dass man ja nie wissen könne, ob die Ehefrau dann eifersüchtig werde. Auch wenn die Angeklagte vom Alter her gut seine Tochter sein könnte.

Die Jugendgerichtshilfe hat sich bei dem jüngsten Angeklagten für die Anwendung von Jugendrecht ausgesprochen. Das war wichtig, weil im Jugendstrafrecht der hohe Strafrahmen des Erwachsenenrechts nicht gilt. Jugendstrafrecht ist Erziehungsstrafrecht, da gelten andere Grundsätze. Der junge Mann habe sich in den mehr als zwei Jahren seit der Tatbegehung stabilisiert, er sei nachgereift, habe Arbeit und kümmere sich um seine Kinder. Schädliche Neigungen könnten heute verneint werden. Wegen Schwere der Schuld sei Jugendstrafe zu verhängen, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dem haben sich Staatsanwaltschaft und Gericht angeschlossen. Bei dem älteren Angeklagten sind alle Beteiligten schließlich einvernehmlich davon ausgegangen, dass ein Mittäterexzess nicht ausgeschlossen werden könne. Von der Waffe habe er möglicherweise nichts gewusst und diese später nicht in seinen Vorsatz aufgenommen. Ich kenne Gerichte und Staatsanwälte, die das anders sehen würden. Aber so hat es zu einer Bewährungsstrafe gereicht.

Und bei der jungen Frau war man sich schließlich einig, dass diese nicht unbedingt gewusst haben muss, dass die beiden Männer einen Raub begehen wollten. Deshalb wurde sie nur wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer sehr überschaubaren Bewährungsstrafe verurteilt.

Am Ende des Prozesses konnten die drei Angeklagten durchatmen. Die seit der Tat vergangene Zeit hat für sie gespielt, der Hauptbelastungszeuge hat keinen allzu überzeugenden Eindruck gemacht und die Beweislage wurde recht großzügig zu ihren Gunsten gewürdigt. „In dubio pro reo“ – aber wir wissen, das ist nicht immer so.

 


Kategorie: Strafblog
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