„Gott schütze dich vor Sturm und Wind und Deutschen, die auf Malle sind“, lautet ein geflügeltes Wort unter deutschen Residenten auf Mallorca, von denen die meisten so ihre Erfahrungen mit zwielichtigen Landsleuten gemacht haben, die es darauf abgesehen haben, andere Menschen abzuzocken. So ganz genau weiß niemand, wieviele Deutsche unter den rund 870.000 Inselbewohnern tatsächlich dauerhaft auf Mallorca leben. Offiziell waren es Ende 2010 etwa 22.000, aber ernst zu nehmende Schätzungen gehen davon aus, dass es de facto die drei- bis vierfache Zahl an teutonischen Landleuten sein dürfte, die sich dort ganz oder überwiegend aufhält. Und nicht ganz wenige davon haben weder ausreichende Ersparnisse noch legale laufende Einkommensquellen, um den teuer gewordenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Also bedarf es einer gewissen Kreativität, um an das Geld anderer Leute zu kommen. Dubiose Handwerker und Immobilienmakler, die niemals eine tatsächliche Berufsausbildung in ihrem Tätigkeitsfeld genossen haben und deshalb oft nur dilettantische Leistungen zustande bringen, gehören noch zur eher harmlosen Unterart von Betrügern, die gleichwohl erhebliche Schäden anrichten können. Gravierender sind die Fälle organisierter Kriminalität im Bereich des systematischen Anlagebetruges und im Callcenter-Bereich, der in den letzten Jahren zu erheblicher Blüte erwachsen ist.
Das Online-Portal der deuschsprachigen Mallorca-Zeitung berichtet in einem aktuellen Beitrag über eine ebenso plumpe wie erfolgreiche Methode, mit der über ein in Cala Radjada und Capdepera angesiedeltes Callcenter überwiegend ältere Bundesbürger mit Wohnsitz in Deutschland abgezogen worden sind. „Lotto 3000″ nannten die Betreiber, die zuvor auch schon in Deutschland Callcenter betrieben hatten oder als Zuhälter tätig gewesen waren, ihr Geschäftsmodell. Nach Angaben eines Aussteigers wurden zunächst arbeitssuchende Menschen mit Anzeigentexten wie „Lust am Telefonieren? Chance für Quer-/Wiedereinsteiger. Keine Ausbildung oder Vorkenntnisse notwendig …“ oder „Lukrativer Nebenjob im Telekommunikationsbereich“ angeworben. Diese riefen dann nach entsprechender Einarbeitung Telefonanschlüsse in Deutschland an und teilten ihren Gesprächspartnern beispielsweise mit, diese hätten einen Einkaufsgutschein beim Otto-Versand gewonnen. Sie verwickelten die Leute in ein nur schwer durchschaubares Gespräch, in dessen Verlauf sie diesen – ohne dass ihre Opfer dies überhaupt realisierten – die kostenpflichtige Beteiligung an einer Lotto-Tippgemeinschaft aufschwatzten und gleich auch deren Kontonummern und Bankleitzahlen erfragten. Die aufgezeichneten Gespräche wurden dann im Nachhinein so zusammengeschnitten, dass der Aufhänger für das Gespräch, also der angebliche Gewinn eines Einkaufsscheins, verschwand und der Eindruck eines klaren Vertragsabschlusses entstand. Da sollen auch schon mal 20.000 mitgeschnittene Gespräche auf Halde gelegen haben, wird der Aussteiger zitiert.
Den Mitarbeitern des Callcenters war neben einer geringen Grundvergütung eine Erfolgsprovision von 50 Cent für jedes mitgeschnittene Telefonat versprochen worden, die dann aber nicht ausgezahlt wurde, heißt es in dem Beitrag.
Einigen Mitarbeitern sei mulmig geworden, als das Thema „Lotto 3000″ bei „Stern-TV“ und in anderen Medien aufgegriffen wurde. Es wurde berichtet, dass die Tatopfer rund um die Uhr von automatisch erzeugten Tonbandaufnahmen angerufen wurden, die den Senioren drohten und sie zum Zahlen aufriefen. Das hätten sie nicht gewusst, sollen einige Ehemalige der Mallorca-Zeitung gesagt haben.
Der Betreiber des Callcenters sei dann über Nacht verschwunden, wird weiter berichtet. Die Mitarbeiter seien überwiegend auf ihren offenen Provisionsforderungen sitzen geblieben. Ein Teil von ihnen hätte in anderen Callcentern angeheuert, in denen mehr oder weniger dasselbe Spiel betrieben wurde. Anhand von gekauften und aufbereiteten Adressenlisten seien wiederum Adressaten in Deutschland angerufen worden. Diesmal hätten diese unbewusst Zeitschriften-Abos abgeschlossen und wiederum ihre Bankdaten herausgerückt. Auch hier sei der Betreiber nach einiger Zeit mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern verschwunden, ohne die Mitarbeiter, die teilweise von Deutschland auf die Insel gekommen waren, um dort zu arbeiten, zu bezahlen. Ein Teil von ihnen dürfte zwischenzeitlich längst realisiert gehabt haben, an welch zwielichtigen Geschäft sie sich da beteiligt hatten – betrogene Betrüger eben.
Ein anderer Callcenter-Betreiber, der zwischenzeitlich ebenfalls mal verschwunden war, ist dem Bericht zufolge auf die Insel zurückgekehrt und operiert jetzt sogar wieder in denselben Räumlichkeiten und zum Teil mit denselben Mitarbeitern. Man akquiriert jetzt Spenden für die Kinderkrebshilfe, heißt es, verschweigt dabei aber, dass von 70 Euro Spende erstmal 40 Euro Provision abgezogen werden. Der Rest versickert dann wohl in anderen Kanälen.
„Manchmal glaube ich, dass es in Cala Ratjada mehr Callcenter gibt als normale Geschäfte“, wird ein ehemaliger Mitarbeiter der Branche von der Mallorca-Zeitung zitiert.
Was für ein Glück, dass Mallorca auch seine schönen Seiten hat, und davon gibt´s einige, sage ich.
Kategorie: Strafblog
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