Ein Biss in den leicht sauren Apfel: Einstellung gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes von 800 Euro zugestimmt



Veröffentlicht am 7. Februar 2014 von

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Ein wenig merkwürdig ist die heutige Berufungshauptverhandlung in einer Körperverletzungssache vor dem Landgericht Krefeld schon verlaufen, finde ich, aber letztlich kam ein Ergebnis raus, mit dem mein Mandant leben kann. Laut Anklage und erstinstanzlichem Urteil soll der Mittzwanziger vor geraumer Zeit gemeinsam mit einem sich damals noch im Heranwachsendenalter befindlichen Kumpel dem Tatopfer, einem ebenfalls jungen Mann,  aufgelauert und dieses dann zusammengeschlagen und -getreten haben. Das Tatopfer hatte jedenfalls nicht unerhebliche Verletzungen im Gesichtsbereich erlitten, die operativ behandelt werden mussten. Drei Wochen Arbeitsunfähigkeit und noch länger andauernde Schmerzen und andere Beeinträchtigungen waren die Folge. Es soll auf der Täterseite auch noch eine dritte, unbekannt gebliebene Person zugegen gewesen sein, die sich aber nicht aktiv an der Auseinandersetzung beteiligt haben soll.

Zumindest den ersten Schlag habe mein Mandant geführt, hatte das erstinstanzliche Gericht festgestellt, die weiteren Schläge und wohl auch Tritte hätte dann nicht ausschließbar nur der Kumpel ausgeführt. Der war wegen des Vorfalls bereits durch die Jugendrichterin verwarnt und mit einem Arrest belegt worden. Außerdem hatte er sich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.300 Euro verpflichtet, das inzwischen auch bezahlt worden ist. Hintergrund der Auseinandersetzung war wohl ein Eifersuchtsanfall des jungen Mannes, der glaubte, das Tatopfer hätte ein Verhältnis mit seiner Ex-Freundin begonnen, obwohl die Beziehung noch nicht so richtig beendet war.

Der Kumpel hatte gegen sein Urteil ebenfalls Berufung eingelegt, und beide Berufungen waren jetzt zur gemeinsamen Hauptverhandlung verbunden worden. Er allein habe geschlagen, meinte der Kumpel heute vor Gericht, auch den ersten Schlag habe er ausgeführt. Es tue ihm leid, seinen Freund, der nur habe vermitteln wollen, in die Sache mit hineingezogen zu haben. Die Vorsitzende Richterin  ließ von Beginn an erkennen, dass sie  dieser Einlassung nur wenig Glauben schenken könne. Der Geschädigte, der in den beiden vorangegangen Verhandlungen bekundet hatte, er könne nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass mein Mandant geschlagen hätte, aber eigentlich müsste er es gewesen sein, weil der andere zu diesem Zeitpunkt noch 1 bis 2 Meter entfernt gestanden habe, war sich heute plötzlich sehr sicher. Anders als in früheren Aussagen legte er sich auch darauf fest, von mehreren Personen getreten worden zu sein. Er habe nämlich mehr als  ein Paar Schuhe gesehen, mit denen getreten worden sei. Warum er das denn früher anders dargestellt habe, habe ich ihn gefragt, aber da kam für mich nichts Überzeugendes.

Das Gericht ließ trotz der aus meiner Sicht widersprüchlichen Angaben des Hauptbelastungszeugen mehrfach erkennen, dass es dessen Bekundungen glaube und die Angaben des Mitangeklagten stark anzweifele. Verbunden wurde das mit einem Hinweis darauf, dass das Verfahren gegen den geständigen den Mitangeklagten auch abgetrennt und dessen Berufung, deren Zulässigkeit ohnehin zweifelhaft sei, verworfen werden könne. Dann sei er Zeuge und stehe mit allen strafrechtlichen Risiken unter Wahrheitspflicht. Inzident kam hierbei die Auffassung zum Ausdruck, dass dessen Berufung wohl nur eingelegt worden sei, um ihm das Risiko eines Falschaussageverfahrens zu ersparen. Ganz lebensfremd ist diese Ansicht sicher nicht.

Wir haben reichlich hin und her diskutiert, auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklagevertreterin haben ihre Meinung beigetragen, und die stand – funktional bedingt – nicht gerade auf Seiten der Verteidigung. Immerhin, ganz salomonisch meinte die Vorsitzende schließlich, für meinen Mandanten komme ja vielleicht auch eine Verfahrensbeendigung ohne streitiges Urteil in Betracht. Er sei ja nicht einschlägig vorbestraft und solle auch nur einen Schlag abgegeben haben. Bei dieser Sachlage könne man über eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage nachdenken. Wir haben das erörtert und schließlich unter Zurückstellung einiger Bedenken zugestimmt. Wichtig war dabei, dass einerseits sicher eine Vorstrafe vermieden werden konnte und dass andererseits für den Mitangeklagten ansonsten tatsächlich das Risiko bestanden hätte, noch einmal als Zeuge aussagen zu müssen und dann mit einem Falschaussagevorwurf konfrontiert zu werden. Dabei hatte der junge Mann mir gegenüber noch einmal beteuert, nur er habe geschlagen. Aber was nützt das, wenn´s niemand glauben will?

800 Euro Schmerzensgeld sind der Preis, den mein Mandant jetzt für die Einstellung zahlen muss. Ein Biss in den leicht sauren Apfel ist das, aber unterm Strich gesehen kann er damit leben. Hauptsache keine Vorstrafe. Und er war jedenfalls ganz nah dran am Tatgeschehen, da bestehen immer Verurteilungsrisiken. Auch wenn das Sprichwort „mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“ nicht der prozessualen und materiellen Rechtslage entspricht. Für jeden Angeklagten muss ja der sichere Nachweis geführt werden, dass er willentlich und wissentlich an der Tatbestandsverwirklichung beteiligt war. Aber da gibt es den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, und die fällt im Ergebnis bisweilen anders aus, als ein Verteidiger das sieht. Da kann die Zustimmung zu einer Einstellung durchaus ein Gebot der Klugheit sein.

Abgesehen, dass ich selbst nicht bei dem Tatgeschehen dabei war: Recht haben und Recht kriegen sind ja immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe, das muss man immer mit ins Kalkül ziehen. Das hat auch mein Mandant so gesehen und war´s letztlich ganz zufrieden.  Jedenfalls hat´s keine Vorstrafe gegeben, eine Einstellung wird ja nicht ins Strafregister oder Führungszeugnis eingetragen.

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Ein Biss in den leicht sauren Apfel: Einstellung gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes von 800 Euro zugestimmt
Schlagworte: