Das war ein richtig gutes Mandat, das mir da vor einigen Monaten angetragen wurde. Josef W., genannt „Juppi“, (Name natürlich geändert) sitzt eine langjährige Haftstrafe wegen eines Kapitaldelikts ab, ein paar Jährchen muss er noch hinter den berühmten Gardinen verbringen. Aber er ist nicht unvermögend, im Gegenteil: „Ich habe früher im Rotlichtmilieu viel Geld verdient, das ich dann in ein ganz normales Unternehmen investiert habe, Facility-Management, das wird jetzt von meiner Frau geleitet und schmeißt richtig was ab“, erklärte er mir anlässlich meines ersten Besuchs bei ihm in der JVA. Eine seiner Töchter arbeite auch in dem Unternehmen, die andere studiere Jura, „ein prima Mädchen“, sagt Juppi und strahlt dabei. Es geht unter anderem um ein Reststrafengesuch, aber das ist nicht vordringlich. Wichtiger ist vielmehr die Regelung einer Erbschaft, eine Tante ist nämlich gestorben und hat ihm ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Das sind schon ein paar Milliönchen, das meiste davon in Immobilien. Und jetzt kommt das Finanzamt wegen der Erbschaftsteuer und all dem Zeug, und das kann er selbst von drinnen aus nicht regeln. Ein oder zwei Grundstücke wird er wohl verkaufen müssen, um die Steuern bezahlen zu können, aber das sind natürlich Luxusprobleme. „In den nächsten Tagen meldet sich eine Frau X bei ihnen, das ist eine Vertrauensperson von mir, die bringt Ihnen die Unterlagen und den erforderlichen Honorarvorschuss“, sagt Juppi, während er die Vollmachten unterschreibt.
Ein paar Tage später meldet sich Frau X telefonisch auf meinem Handy. Sie werde Juppi morgen in der Haft besuchen und dann mit meiner Sekretärin einen Termin vereinbaren, sagt sie. Aber dann höre ich nichts mehr von ihr. Eine Rufnummer hat sie nicht hinterlassen, der Anruf erfolgte ohne Kennung. Ich schreibe Juppi in der JVA an, bitte um Rückruf oder schriftliche Mitteilung, was Sache ist. Juppi ruft mich vom Büro des Sozialarbeiters der JVA aus zurück. Nein, alles sei in Ordnung, Frau X sei krank geworden, aber er werde mir die Unterlagen jetzt über seine Ehefrau zukommen lassen. Eigentlich wollte er die gar nicht involvieren, aber die werde sich jetzt kümmern. Juppi gibt mir auf meinen Wunsch hin die Telefonnummer seiner Frau. Die werde sich aber von sich aus bei mir melden. Ich warte ein paar Tage vergeblich, dann rufe ich an. Tatsächlich meldet sich eine Frauenstimme, aber die teilt mir mit, dass ich mich wohl verwählt haben müsse. Sie kenne keinen Juppi und verheiratet sei sie erst recht nicht mit dem. Ich googele nach Juppis Facility-Management-Firma und finde sie nicht.
Ein paar Tage später muss ich ohnehin in die betreffende JVA und lasse auch den Juppi für mich abrufen. Aber der kommt nicht. Er habe sich geweigert, seine Zelle zu verlassen, wird mir lapidar mitgeteilt. Also schreibe ich Juppi wieder an und teile ihm mit, dass ich unter den gegebenen Umständen das Mandat nicht weiterführen könne. Juppi meldet sich wenig später wieder per Telefon. Ihm sei überhaupt nicht mitgeteilt worden, dass ich ihn sprechen wollte, meint er, es könne keine Rede davon sein, dass er sich geweigert habe zu kommen. Er warte doch dringend auf meinen Besuch. „Die verarschen uns“, sagt Juppi und meint damit die JVA-Beamten. Was es mit der angeblichen Telefonnummer seiner Frau auf sich habe, frage ich. „Die ist bekloppt!“, sagt Juppi, „die dreht mal wieder am Rad und lässt sich verleugnen“. Er werde die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen, sagt Juppi und bittet um meinen erneuten Besuch. Ich sage ihm, dass ich ein finanzielle Grudlage dafür brauche. „Kommen Sie bitte vorbei“, meint Juppi, „ich werde Ihnen eine Bankvollmacht oder eine Abtretungserklärung unterschreiben und meinen Banker telefonisch vorab unterrichten, dann kann der Vorschuss sofort überwiesen werden.“
Bei meinem nächsten Besuch teilt Juppi mir seine Kontodaten und die Telefonnummer seines Banksachbearbeiters mit. Er liest die Daten aus einem mitgebrachten Notizbuch ab, ich notiere sie mir und wir vergleichen noch einmal, ob auch kein Zahlendreher erfolgt ist. Juppi unterschreibt mir eine vorbereitete Abtretungserklärung und meint, er werde den Banker am nächsten Tag anrufen und vorab unterrichten. Der werde sich dann bei mir melden, der kenne das Procedere schon. Unterlagen wegen der Erbschaft hat er immer noch nicht dabei. Die liegen bei Frau X, meint er, aber die werde sich jetzt definitiv bei mir melden. Deren Telefonnummer habe er gerade nicht greifbar. Ich bitte Juppi, mir noch sein Urteil per Post zukommen lassen, er kann das jetzt nicht mehr aus der Zelle holen, weil die Wege innerhalb der Anstalt weit sind und eine Zuführung in den Besuchertrakt per Fahrzeugtransport erfolgt. Das Urteil kommt tatsächlich am nächsten Tag bei mir an, aber die Seiten mit der Darstellung der persönlichen Verhältnisse fehlen. Ich wollte überprüfen, ob Juppi tatsächlich Frau und 2 Töchter hat und welche weiteren biografischen Angaben sich darin finden.
Ich rufe bei der Bank an. Nein, einen Josef. W. kennt man dort nicht als Kunden und Juppis Firma ist dort unbekannt. Aber einen Banksachbearbeiter mit dem mir genannten Namen gibt es dort tatsächlich, wenn auch mit anderer Rufnummer. Den bekomme ich dann an die Strippe. Der Name Josef W. sagt ihm etwas, meint der zu mir, auch wenn er diese Person nicht kenne. Aber seit etlichen Jahren meldeten sich immer wieder mal Anwälte bei ihm, die behaupteten, einen Bankkunden mit diesem Namen zu vertreten. Der Mann sitze wohl schon seit Jahren in Haft und erzähle seinen Anwälten irgendwelche Geschichten von großen Erbschaften und viel Geld. Der Mann sei offensichtlich ein Spinner, anders könne er sich das nicht erklären.
Ich habe Juppi einen freundlichen Brief geschrieben und das Mandatsverhältnis beendet. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass Eingehungsbetrug auch dann strafbar ist, wenn er aus der Haft heraus begangen wird, und dass er damit rechnen muss, dass andere Anwälte vielleicht weniger nachsichtig sind als ich. Dann habe ich die Akte abgelegt.
Die Frage, die bleibt, ist, was eigentlich dahinter steckt. Ist Juppi ein Borderliner, hat er einen massiven Knastschaden erlitten, war er vielleicht immer schon ein notorischer Lügner oder vertreibt er sich auf diese Weise nur die Zeit? Und wer verbirgt sich unter Frau X, die mich ja tatsächlich angerufen hat. Aber bevor ich allzu lange darüber nachdenke, widme ich mich lieber Mandaten, die real sind und mit denen ich tatsächlich Geld verdienen kann.
Kategorie: Strafblog
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