Strafrechtlich war der Fall, in dem ich heute vor dem Mönchengladbacher Amtsgericht verhandelt habe, eigentlich eine Bagatelle. Dem Mandanten war´s aber wichtig, weil er bei einem öffentlichen Arbeitgeber beschäftigt ist und seine reine Weste behalten wollte.
Der Vorwurf lautete auf einfache Körperverletzung. Der Anklage zufolge soll der Mann, der nebenbei für einen Bauunternehmer im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses gearbeitet hat, seinem Auftraggeber einen Faustschlag vor den Hals versetzt haben, nachdem dieser ihm das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte und den Schlüssel für das Bauvorhaben herausverlangte.
Völlig grundlos und überraschend, so hatte der Bauunternehmer in seiner Strafanzeige behauptet, hätte der Angeklagte ihm den Faustschlag versetzt, als er nach dem Schlüssel greifen wollte. Ein weiterer Bauhelfer sei dazwischen gegangen und hätte den Angreifer von weiteren Aggressionen abgehalten und sich noch bei ihm entschuldigt. Er gehe davon aus, dass seine Nachbarin, bei der er danach geklingelt hätte, dies Alles gesehen oder zumindest gehört habe.
Mein Mandant hat den Vorfall ganz anders dargestellt. Der Bauunternehmer habe den Schlüssel haben wollen, woraufhin er gesagt hätte, er wolle zuerst das ihm noch zustehende Geld haben, dann werde er den Schlüssel herausgeben. Der Bauunternehmer sei daraufhin aggressiv geworden und hätte ihn am Handgelenk gepackt. Jetzt sei der andere Bauhelfer dazwischen gegangen. Daraufhin hätte der Unternehmer sich plötzlich theatralisch an den Hals gepackt, laut um Hilfe geschrien und sei sodann zur Nachbarin gelaufen. Er sei daraufhin mit dem Bauhelfer davongefahren, beide hätten sich noch über die Showeinlage amüsiert. Von der Strafanzeige, die der Bauunternehmer danach gegen ihn erstattete, sei er ziemlich überrascht gewesen.
Am ersten Verhandlungstag hat der Bauhelfer die Version meines Mandanten bestätigt. Er könne ausschließen, dass dieser geschlagen habe. Die Aggression sei eher von der anderen Seite ausgegangen. Die Nachbarin konnte wenig Erhellendes beitragen. Gesehen hätte sie gar nichts, nur ein paar laute Stimmen gehört. Was da gerufen wurde, hätte sie nicht verstehen können. Der Bauunternehmer hätte kurz darauf bei ihr geklingelt und ihr gesagt, er sei von dem Angeklagten geohrfeigt worden. Sie meinte, auch eine Rötung an der Wange gesehen zu haben.
Heute wurde der Bauunternehmer, der am ersten Verhandlungstag verhindert war, als Zeuge vernommen. Ankündigungslos hätte er eine mächtige Ohrfeige bekommen, zuvor sei überhaupt nicht miteinander gesprochen worden, bekundete der Mann. Die Ohrfeige mutierte im Laufe der Vernehmung wieder zum Faustschlag, der so gewaltig gewesen sein soll, dass er davon zu Boden gegangen sei. Bei der Polizei war hiervon keine Rede gewesen. Der Bauhelfer sei zu diesem Zeitpunkt noch hinter dem Haus gewesen und hätte gar nichts sehen können, meinte der Zeuge. Der sei erst hinzugekommen, als er sich schon wieder aufgerichtet hatte. Es stimme zwar, dass er sich dann an den Hals gefasst hätte, das sei aber wegen der Schmerzen gewesen.
Die Richterin und der Referendar, der die Staatsanwaltschaft vertrat, stellten ein paar kritische Fragen und wiesen auf Widersprüche zu seinen Angaben bei der Polizei hin. Als ich den Mann befragen wollte, meinte der, am liebsten würde er gar keine Aussage machen. Ihm sei bei der Stadt sowieso schon gesagt worden, der Angeklagte hätte einen erstklassigen Verteidiger (welch ein Kompliment), der ihm das Wort im Munde rumdrehen würde. Außerdem tue er sich mit seinem Auftritt vor Gericht sowieso keinen Gefallen. Seine Frau sei in der Politik tätig und die werde schon dafür sorgen, dass der Angeklagte jedenfalls nicht mehr in dem Stadtteil, wo er mit seiner Frau wohne, für die Stadt arbeiten könne.
Ich habe den Mann noch einmal gefragt, was denn der Grund für die Kündigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses gewesen sei. Meinem Mandanten sei der Vorschuss von 500 Euro, den er für seine Arbeiten bekommen hätte, nicht genug gewesen, lautete die Antwort. Ob er denn höhere Geldforderungen gestellt hätte, habe ich gefragt. Nein, das nicht, aber mit den 500 Euro sei er unzufrieden gewesen und hätte sinngemäß geäußert, dass er seinem Sohn, der sich bei der Stadt für eine Anstellung bewerben wollte, Schwierigkeiten machen könne. „Bei der Polizei haben Sie gesagt, mein Mandant hätte plötzlich 4.000 Euro und damit ein Mehrfaches des vereinbarten Preises für die Arbeiten haben wollen“, habe ich dem Bauunternehmer vorgehalten. Das hat der empört zurückgewiesen. So etwas hätte er nie gesagt. Das war aber so in der Strafanzeige protokolliert worden. Was denn mit dem Schlüssel sei, habe ich den Zeugen gefragt. Den hätte mein Mandant ihm nach dem Streit vor die Füße geworfen, meinte der Zeuge. „Bei der Polizei haben Sie aber gesagt, sie hätten den Schlüssel nicht zurück bekommen“, habe ich dem Zeugen vorgehalten. „Das war ja der falsche Schlüssel“, meinte der Bauunternehmer, „aber das habe ich ja erst nach Erstattung der Anzeige gemerkt.“ „Wenn Sie das erst später bemerkt haben, dann hatten sie doch bei der Polizei keinen Anlass zu behaupten, sie den hätten den Schlüssel nicht zurück bekommen!“, habe ich dem Zeugen vorgehalten. Der verstand diesen Vorhalt erst im zweiten Anlauf. „Da haben Sie allerdings Recht“, meinte er lakonisch, aber mehr fiel ihm dazu nicht ein.
Da waren noch ein paar weitere Ungereimtheiten in der Aussage des Zeugen, deren Darlegung ich mir ersparen will. „Ich denke, wir brauchen keine weiteren Zeugen, oder ?“, habe ich die Richterin gefragt, welche bestätigend den Kopf schüttelte.
Der Referendar hat für die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragt, auch er hatte in der Zeugenaussage zu viele Widersprüche entdeckt. Außerdem sei der Bauhelfer als Zeuge durchaus glaubwürdig gewesen, meinte er. Ich habe das auch so gesehen und entsprechend plädiert. Die Richterin hat nicht lange überlegt und dann auch folgerichtig auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Mein Mandant war´s zufrieden, aber er empörte sich noch ein paar Minuten darüber, wie sehr der Zeuge doch gelogen hätte. Und ihn hätte das Nerven und Geld gekostet, „for nothing“.
Wie heißt es doch so schön: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben ….“
Aber immerhin ist mit dem Freispruch ein wenig Gerechtigkeit hergestellt worden, denke ich, das ist ja doch etwas…
Kategorie: Strafblog
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