Eine Staatsanwältin wird gemobbt



Veröffentlicht am 1. Juli 2012 von

Das ist das Schöne am Internet: Jeder kann auch ohne nähere Informationen zu jedem Thema seinen Senf geben – so wie richtige Journalisten. Und so juckt es mir in den Fingern auch mal anständig zu senfen. Nur damit keine Irritation entsteht: Den nachfolgenden Beitrag habe ich vor ein paar Jahren geschrieben und veröffentliche ihn jetzt nochmals, da ich in einem zukünftigen Artikel darauf verlinken möchte.

Eines ist klar: Kam man erstmals als Verteidiger mit Frau Staatsanwältin Lichtinghagen in Berührung, musste man sie hassen, und so ging es auch mir und meinem Sozietätskollegen Rainer Pohlen, als wir sie vor einigen Jahren im Rahmen eines spektakulären, bundesweiten Produktpiraterieverfahrens kennenlernten. Sie wirkte schroff, entschieden und knallhart und war verdammt gut vorbereitet. Eine Frau, die unseren Charmeoffensiven zur sofortigen Befreiung unserer Mandanten aus der U-Haft die kalte Schulter zeigte – und so etwas mögen Verteidiger bekanntlich gar nicht. Aber viel Feind, viel Ehr – und diese Ehre möchte ich der Staatsanwältin mit meinem kleinen Artikel gewähren und zwar völlig unabhängig davon, ob an den gegen sie erhobenen Vorwürfen, sie habe sich „mediengeil“ ins Rampenlicht geworfen und ausgehandelte Bußgelder ohne Kenntnis ihrer Vorgesetzten an ihr persönlich am Herzen gelegene, gemeinnützige Empfänger weitergeleitet, irgendetwas dran war oder nicht.

In unserem Verfahren stellte sie sich als ausgesprochen faire, konstruktive und kompetente “Gegnerin” dar, die – und das kann man beileibe nicht von jedem Staatsanwalt (gilt natürlich auch für Anwälte) sagen – auch zuhören konnte und vernünftigen (also meinen – haha) Argumenten durchaus zugänglich war. Ich erinnere mich an ihr Büro, in das sie uns seinerzeit zur Besprechung des Falles eingeladen hatte. Ein kleines, vergilbtes Zimmer, vollgestopft mit nicht mal mehr sperrmülltauglichen Möbeln aus den 60igern, einer pfeifenden Klimaanlage, die mich schon nach 5 Minuten zum Wahnsinn trieb und Aktenbergen zwischen denen sie agil und voller Tatendrang hin und her huschte, um noch das eine oder andere Protokoll herauszusuchen. Nach der Einfädelung von Schadenswiedergutmachung trat sie einer beantragten Haftverschonung nicht mehr entgegen, und beide Seiten verließen die Verhandlung mit jeweils akzeptablem Ergebnissen und einem guten Gefühl.

Wie gesagt, ich kann zu den gegen Frau Lichtinghagen seinerzeit erhobenen Vorwürfen nichts sagen und vielleicht sollte ich deshalb besser die Klappe halten. Aber das fällt mir bekanntlich schwer. Könnte es sein, dass die engagierte Staatsanwältin ihren Kollegen im eigenen Haus auf die Füße getreten, sie mit ihrem justizfremden Arbeitseifer (ich weiß, dass diese Bemerkung ungerecht ist, aber ich will mal auf die “Kacke” hauen) in den Schatten gestellt und durch ihre Art mit den Dingen umzugehen, ihnen täglich ihre eigene Begrenztheit vor Augen geführt hatte?

Dass Frau Lichtinghagen auch gegenüber ihren (männlichen) Chefs kein Blatt vor den Mund genommen hat, davon gehe ich aus. War sie deshalb in dem gemütlichen Trott der Justiz ein Dorn im Auge des neidischen Betrachters? Wie kam es, dass man einer Kollegin, die durch ihr beherztes Auftreten – auch in den Medien – für den guten Ruf der Staatsanwaltschaft Bochum gesorgt hatte, so in den Rücken fiel? Hatten die Chefs wirklich nicht mitbekommen, wohin die von ihr ausgehandelten Bußgelder gegangen waren? Und, was war daran so verwerflich, eine Kinderkrebsstation oder eine Universität mit Bußgeldern zu unterstützen?

Jedenfalls zeugten die aus Kreisen der Staatsanwaltschaft Bochum an die Presse lancierten Bösartigkeiten, die “Diva” sei vor erwarteten Kameraauftritten extra zum Frisör gegangen und habe sich für Presseauftritte einen neuen Seidenschal gekauft, sie habe medienwirksame Fälle an sich gerissen und sei überhaupt mediengeil, nicht gerade von Objektivität. Sie zeugten eher von Intrigantentum und dem Ausnutzen der  Chance, einer unliebsamen Kollegin eins auszuwischen.

Ich wage mal die Prognose – mit einem männlichen Kollegen wäre “Mann” so nicht umgegangen. Die hämische Schadenfreude, die hinter solch einem Verhalten hervorgrinst, ist ekelhaft; sie möge denjenigen, die es betrifft, im Halse stecken bleiben. Jedenfalls bedarf es mehr als einer neuen Frisur und einem neuen Schal, um nach so einem unkollegialen Verhalten noch morgens mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen zu können.

 


Kategorie: Strafblog
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