4 Jahre ist es jetzt her, dass ein damals 22-jähriger Deutscher auf Mallorca in eine nächtliche Auseinandersetzung verwickelt war, die fatale Folgen hatte, wenn es denn überhaupt so war. Zu dritt waren die Jungs unterwegs gewesen, hatten Einiges – wenn auch nicht übermäßig viel – getrunken und dann, nicht weit vor Mitternacht, auf der Straße Kontakt zu einer Gruppe von Schwedinnen aufgenommen, die sich ebenfalls amüsieren wollten. Von der anderen Seite kamen drei schwer alkoholisierte Engländer hinzu, alle deutlich älter und – wie mir berichtet wurde – ziemlich skinheadmäßig aussehend. Die hatten es wohl ebenfalls auf die Mädels abgesehen, und ihnen missfiel vielleicht die Konkurrenz. Einer fing Streit mit einem aus der Gruppe des 22-Jährigen an, und schnell wälzten sich die beiden auf der Straße. Als ein Anderer mit Fäusten auf den jungen Deutschen zuging, drückte der ihn – so seine Schilderung – mit dem Kopf nach unten, um ihn am Schlagen zu hindern. Er sah dann noch, wie der Mann einen Fußtritt gegen den Kopf bekam, vermutlich von dem Dritten aus seiner Gruppe. Der Engländer ging zu Boden, der 22-Jährige rannte davon, um nicht von den anderen aus der gegnerischen Gruppe zusammengeschlagen zu werden.
So weit, so relativ harmlos … zunächst einmal. Zwischenzeitlich war die Polizei erschienen und nahm die Personalien der Beteiligten auf. Die Polizisten fragten den Engländer, der den Tritt abbekommen und zunächst benommen auf dem Boden gelegen hatte, ob sie eine Ambulanz rufen sollten, was der verneinte. Dann sollte er am besten selbst vorsorglich ins Krankenhaus fahren, wurde ihm gesagt, aber der Mann antwortete, er sei o.k.
Ein paar Stunden später war der Engländer tot. Seine Freunde hatten ihn im Hotel in merkwürdiger Lage auf bzw. neben dem Bett liegend vorgefunden und Hilfe herbeigerufen, aber es war zu spät.
Körperverletzung mit Todesfolge wirf die spanische Justiz dem 22-Jährigen und einem seiner Begleiter vor, das ist derjenige, der vermutlich getreten hat. Vier Jahre Freiheitsstrafe ist das der Staatsanwaltschaft laut Anklage wert, in Spanien wird der Strafantrag anders als bei uns bereits in die Anklage hineingeschrieben. Und 270.000 Euro Schmerzensgeld sollen die Beiden an die Angehörigen des Verstorbenen zahlen, aufgeteilt auf die Ehefrau, die Kinder und die Eltern des Mannes. So ein Trauerschaden wäre in Deutschland nicht möglich, aber das ist ein anderes Thema.
Der Fall ist skurril und die Anklage aus meiner Sicht einigermaßen schlampig. Der junge Mann wurde seinerzeit von der Haft verschont, aber ihm wurde verboten, Spanien vor dem Abschluss des Verfahrens zu verlassen. Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass er damals nicht als Tourist auf Mallorca weilte, sondern dort arbeitete, aber 4 Jahre Ausreiseverbot belasten auch in so einem Fall.
Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass der Verstorbene multiple Prellungen erlitten hatte und aufgrund einer Gehirnblutung infolge stumpfer Gewalteinwirkung gestorben war. Der Zeitpunkt der tödlichen Verletzung konnte nicht näher bestimmt werden. Ungeklärt ist auch, was die Engländer vor und nach der Auseinandersetzung gemacht haben und ob es in dieser Zeit zu anderen Streitigkeiten mit anderen Beteiligten gekommen ist oder ob der schwer alkoholisierte Mann zwischenzeitlich vielleicht gestürzt ist. Die Staatsanwaltschaft behauptet in der Anklage unter Bezugnahme auf Aussagen der beiden anderen Engländer, der Verletzte sei nach der Auseinandersetzung von seinen Begleitern postwendend ins Hotel gebracht worden. Das kollidiert allerdings mit den Feststellungen eines Polizeibeamten, der ausgesagt hat, die Drei seien erst weit mehr als eine Stunde später mit ihrem Pkw zum Hotel gekommen. Er sei auf ihr Fahrzeug aufmerksam geworden, weil sie die Einfahrt nicht gefunden hätten. Kein Wort dazu in der Anklage. Unerfindlich auch, warum der 22-Jährige für den möglicherweise tödlichen Tritt verantwortlich sein soll. Ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mit dem anderen Angeklagten ist nicht ohne weiteres ersichtlich und wird auch von keinem Zeugen bekundet.
Ob die drei Engländer in ihrer Heimat vielleicht schon als Schläger in Erscheinung getreten sind, wurde bislang nicht ermittelt. Die Möglichkeit einer Notwehrsituation für den jungen Mann wird in der Anklage nicht erörtert. Da kommt noch viel Arbeit auf meinen spanischen Kollegen zu, der die Verteidigung vor Ort übernommen hat. Ich werde ihn im Rahmen meiner Möglichkeiten dabei unterstützen.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Eine tödliche Mallorca-Nacht – Staatsanwaltschaft beantragt 4 Jahre Haft und 270.000 Euro Schmerzensgeld für die Angehörigen
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