Erpressung oder nicht? Eine Cola für 655 Euro und 7 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung



Veröffentlicht am 20. Juni 2014 von

Reeperbahn, Foto: dannyone

Reeperbahn, Foto: dannyone

Der Gast habe sich doch amüsiert und „eine Dame im Arm“ gehabt, ließ sich eine 50-jährige Kellnerin von der Reeperbahn laut Hamburger Abendblatt vor Gericht ein und wies den Vorwurf der räuberischen Erpressung empört zurück.

Das mutmaßliche Tatopfer, ein seinerzeit 21-Jähriger aus Niedersachsen, sah das ziemlich anders. Er sei das erste Mal in seinem Leben auf der Reeperbahn gewesen, bekundete der junge Mann, und da sei er halt von einem Portier am Eingang eines Etablissements, in dem man leicht bekleideten Damen beim Tanzen zuschauen kann, angesprochen worden. Ein Getränk koste nur 5 Euro, hätte der Mann ihm gesagt, mehr müsse man nicht bezahlen. Da sei er halt reingegangen und hätte sich eine Cola bestellt und sofort 5 Euro dafür bezahlt.

Zwei Damen hätten sich zu ihm gesellt und gefragt, ob sie etwas bestellen dürften. „Mich hat das nicht interessiert. Das war ja nicht mein Geld. Dachte ich jedenfalls“, wird der insoweit vielleicht etwas naive Viktor M. zitiert. Fünf Mixgetränke sollen die beiden Damen bestellt haben, und als der gute Viktor das Lokal verlassen wollte, wurde ihm von der angeklagten Kellnerin hierfür eine Rechnung von 650 Euro präsentiert. Als er sich weigerte zu zahlen, soll die Frau ihm gesagt haben, sie könne auch die Polizei holen oder das auch „ganz anders regeln“. Vor Viktors geistigem Auge erschienen in dem Moment Schlägertypen mit Baseballschlägern, die ihm auflauern, und das machte ihm gehörig Angst. Also zahlte er, verließ das Lokal und begab sich schnurstracks zur Polizei, wo er Anzeige erstattete.

Die blonde Kellnerin (jawohl, die Haarfarbe scheint wichtig zu sein, sonst hätte das Abendblatt sie ja nicht erwähnt) bestritt jegliche Bedrohung. Die beiden Damen hätten ihr jeweils angekündigt, sie dürften etwas bestellen. Sie hätte den Gast angeschaut und der hätte genickt. Da hätte sie halt die Mixgetränke gebracht, die – so der Richter unter Hinweis auf eigene Erfahrungen aus anderen Prozessen – im Einkauf 1,59 Euro kosten. Ob 130 Euro pro Mixgetränk nicht ein bisschen viel seien, haben Gericht und Staatsanwaltschaft die Angeklagte gefragt. Der Gast habe sich ja mit den beiden Damen gut unterhalten und auch „ein bisschen tanzen gucken“ dürfen, entgegnete die, das gehöre zum Service und zum Preis. Ach ja, und man hat ja eine Dame im Arm.

Massiver Druck sei auf ihn ausgeübt worden, meinte der geprellte Gast, er habe den stolzen Preis mangels einer hinreichenden Menge Bargeldes in 100-Euro-Tranchen per Kreditkarte gezahlt und hierfür immer wieder seine PIN in das Kartenlesegerät eingeben müssen. Die beiden Tänzerinnen haben als Zeuginnen ausgesagt, der Gast habe ihre Bestellungen ausdrücklich gebilligt. Ob dem Mann auch der opulente Preis für die Getränke bekannt gewesen sein soll, ergibt sich aus dem Beitrag nicht. Das Gericht jedenfalls hat dem jungen Mann geglaubt. Dabei mag vielleicht eine Rolle gespielt haben, dass es nicht unbedingt nachvollziehbar ist, dass ein 21-jähriger Niedersachse (ja, das Bundesland ist wichtig!) freiwillig 650 Euro für ein paar Mixgetränke auf den Tisch legen würde.

Zu sieben Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung hat das Gericht die Kellnerin verdonnert. Dagegen kann sie jetzt Berufung einlegen. Ob der erstaunte Gast sein Geld zurückerhalten hat, weiß ich nicht.


Kategorie: Strafblog
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