Franca Rame, langjährige Begleiterin, Ehefrau, Co-Autorin und Theaterkollegin des Literaturnobelpreisträgers Dario Fo ist – wie in einem lesenswerten biografischen Beitrag bei welt.de zu lesen ist – gestern im Alter von 84 Jahren gestorben. Ich habe die beiden damals in Italien ungeheuer populären Künstler, die mit ihrem Polit-Theater ganze Stadien füllen konnten, in den früheren 70er Jahren für mich entdeckt und zahlreiche ihrer Stücke gelesen und im Theater angeschaut. Ich erinnere mich daran, aus dem Lachen kaum herausgekommen zu sein, als ich die Gesellschaftssatire „Nur Kinder, Küche, Kirche“ gelesen habe, die ich dann Jahre später im Moerser Schlosstheater in einer faszinierenden Aufführung mit einer wunderschönen Hauptdarstellerin, die in einer Szene – für die damalige Zeit noch ganz verrucht – splitternackt auf die Bühne trat, angeschaut habe. In Anbetracht der in Europa grassierenden Wirtschaftskrise ist das Thema des Stückes wieder überaus aktuell.
Die Schlagfertigkeit der Dialoge ín Fo´s Stücken, an denen Franca Rame fast ausnahmslos mitgearbeitet hat, ist bis heute von niemanden übertroffen worden, die witzigste Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, die man sich vorstellen kann. Nicht wenige Stücke haben auch mit Polizei und Justiz zu tun, auch deshalb ist Franca Rames Tod ein Thema für den strafblog. In der Farce „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ greifen die beiden den realen Fall des Anarchisten Pinelli auf, der bei einem Verhör aus einem Fenster des Polizeigebäudes gestürzt und zu Tode gekommen ist, und versuchen, sich in grotesken Dialogen der Wahrheit anzunähern. Ein Verrückter, der sich mal als Untersuchungsrichter, mal als Bischof oder Hauptmann ausgibt, erscheint auf der Polizeiwache und nimmt die an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten ins Verhör. Die verstricken sich in ein Netz aus Lügen, Widersprüchen und Schutzbehauptungen, immer zum Lachen, das einem aber bei näherem Nachdenken durchaus auch mal im Halse stecken bleiben kann.
Franca Rame und Dario Fo waren den konservativen Machtpolitikern von damals und heute immer ein Dorn im Auge. 1973 wurde Franca, von der Fo sagte, sie sei, als er sie kennen lernte, so „atemberaubend schön“ gewesen, dass sie ihm „unerreichbar“ schien, auf offener Straße von vier Männern in einen Lkw gezogen und vergewaltigt – das Verfahren gegen eine tatverdächtige Gruppe von Neofaschisten wurde später wegen Verjährung eingestellt. Rame griff diesen Vorfall in einem Epilog zu ihrem skandalträchtigen Theaterstück „Sex – aber mit Vergnügen“ auf.
1997 erhielt Dario Fo den Literaturnobelpreis zugesprochen, nur er, nicht auch Franca Rame, aber er sprach immer von „unserem Nobelpreis“, und das entspricht wohl auch dem Anteil, den sie an seinem Erfolg hatte.
Franca Rame hat sich immer für das Recht, insbesondere auch der Schwachen, und für die Stärkung der Bürgerrechte eingesetzt, und weil ihr die politischen Möglichkeiten als Autorin und Theaterschauspielerin nicht ausreichten, um die Politik des unsäglichen „Cavaliere“ Berlusconi zu bekämpfen, ließ sie sich 2006 als Senatorin für die Linke in den Senat wählen, trat aber 2 Jahre später mit einer beeindruckenden politischen Erklärung zurück.
Jetzt ist Franca Rame tot, sie war seit Jahren krank und hatte mehrere Schlaganfälle hinter sich, aber die Kraft ihres Schaffens wirkt sicher noch lange fort. Lesen Sie mal etwas von ihr und von Dario Fo, es lohnt sich!
Kategorie: Strafblog
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