Gemordet, zerstückelt, verschwinden gelassen – Gott hat mich nie verlassen



Veröffentlicht am 14. April 2012 von

Videla 1979, Foto: Archivo Gráfico de Clarín (Argentina)

Die Älteren unter Ihnen werden sich vielleicht noch an General Jorge Videla erinnern, der 1976 mit einem Militärputsch die Macht in Argentinien übernahm und das Land danach 7 Jahre lang mit eiserner Faust regierte. 1985 wurde er  wegen ihm angelasteter Greueltaten zu lebenslanger Haft verurteilt, 5 Jahre später aber durch ein Amnestiegesetz begnadigt. Nachdem das Amnestiegesetz fast 20 Jähre später für verfassungswidrig erklärt wurde, kam es zu einem neuen Verfahren gegen den inzwischen 85-Jährigen, welches im Dezember 2010 zu einer erneuten Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit führte. Diese Strafe sitzt der greise Ex-Diktator seitdem ab. Der erneute Weg in die Freiheit wird ihm voraussichtlich versperrt bleiben.

Jetzt hat Videla sich, wie focus.de unter Berufung auf die argentinische Zeitung „Clarin“ berichtet, in einem Buch gegenüber dem Autor Ceferino Reato in neun langen Gefängnis-Interviews zu seinen damaligen Taten sehr offen geäußert und anscheinend wenig Reue erkennen lassen. Während der bis 1983 währenden Militärherrschaft seien planmäßig bis zu 8.000 Menschen getötet worden, gibt Videla dem Bericht zufolge in dem Buch mit dem Titel „Disposicion final“ zu. „Wir mussten eine große Anzahl von Menschen beseitigen“, wird der Mann zitiert. Die ersten Listen von zu tötenden Personen seien schon drei Monate vor dem Staatsstreich zusammengestellt worden. Um Proteste aus dem In- und Ausland zu vermeiden, sei beschlossen worden, die Leichen zu verstecken und zu zerstören.

An der Erstellung der Todeslisten hätten sich auch Unternehmer, Gewerkschafter, Politiker und Professoren beteiligt, behauptet Videla. „Wie oft haben sie mir gesagt: Ihr hättet tausend, zehntausend mehr töten sollen!“ Schätzungen sprechen von bis  zu 30.000 getöteten und verschwundenen Menschen während der Diktatur.

Über das Schicksal gefasster Opositioneller hätten Arbeitsgruppen unter dem Kommando eines Generals entschieden. Alternav sei über eine Freilassung, eine öffentlich verhängte Haft oder eben über eine „Disposicion final“ – die endgültige Lösung – entschieden worden. Der Begriff „Disposicion final“ werde in der Militärsprache für das Ausmustern nutzloser Dinge, etwa verschlissener Kleidung, verwendet, habe Videla erläutert.

Der Staatsstreich sei nach den Worten des Ex-Diktators durchgeführt worden, „um eine anarchische Gesellschaft zu disziplinieren, um aus dem demagogischen Populismus zu kommen und eine liberale Marktwirtschaft zu etablieren“. Er spreche, so Autor Reato, von seinen Taten „mit einer Distanz, einer Kälte und einer Präzision, als ob er ein analytischer Beobachter wäre“.  Der strenge Katholik Videla habe sich zufrieden mit seinem Schicksal gezeigt: „Gott weiß, was er tut, weshalb er es tut und wozu er es tut. Ich akzeptiere den Willen Gottes. Ich glaube, Gott hat mich nie verlassen.“


Kategorie: Strafblog
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