Am kommenden Montag findet der 95. Verhandlungstag im Hamburger Piratenverfahren statt, dann ist ein runder Monat Sommerpause, bevor es Ende August weitergeht. Das Hamburger Landgericht hat jetzt die Anträge von zwei angeklagten Somaliern, die gegen sie bestehenden Haftbefehle aufzuheben, abgelehnt. Es bestehe nach wie vor dringender Tatverdacht. Das Verfahren sei trotz der sehr langen Verfahrensdauer auch mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Es bestehe weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr, der auch durch minderschwere Maßnahmen nicht beseitigt werden könne. Schließlich sei die Haft im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und auf die zu erwartenden Rechtsfolgen auch verhältnismäßig.
Soweit der Angeklagte Abdul Kader M. sich dahingehend eingelassen habe, er sei gegen seinen Willen gezwungen worden, bei der Kaperung des deutschen Frachters MS Taipan mitzumachen, sei dies nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht glaubhaft, sondern eher fernliegend, führt die Kammer in dem ablehnenden Beschluss aus. Die Fluchtgefahr ergebe sich daraus, dass der Angeklagte mit einer sehr erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen habe. Die Staatsanwaltschaft habe im Januar immerhin 10 Jahre Freiheitsstrafe gegen ihn beantragt und bereits erkennen lassen, dass sie nach erneuter Beendigung der Beweisaufnahme möglicherweise eine noch höhere Strafe beantragen werde, weil sie (wohl aufgrund der Aussage eines Mitangeklagten) von einer „herausragenden Rolle bei der Tatbegehung“ ausgehe. Soweit der Angeklagte vorgetragen habe, dass sich auch die 3 jungen Angeklagten (darunter auch mein Mandant Abdiwali) , die sich seit April 2012 auf freiem Fuß befinden, nach wie vor dem Verfahren stellen und bislang nicht weggelaufen seien, verkenne er deren grundsätzlich andere Situation, weil sie nach Jugendrecht zu behandeln seien und schon deshalb eine völlig andere Straferwartung bestehe. Die erwachsenen Angeklagten hätten auch durchaus die Möglichkeit, sich dem Verfahren – ggfs. mit HIlfe Dritter – zu entziehen. Die sehr lange Verfahrensdauer und die von der Verteidigung bemängelte Verhandlungsdichte sei auch dem Umstand geschuldet, dass alle Termine zwischen dem Gericht und insgesamt 20 Verteidigern abgestimmt werden müssten, die teilweise Doppelverhinderungen angemeldet hätten, so dass für bestimmte ins Auge gefasste Termine für einzelne Angeklagte kein Verteidiger zu Verfügung gestanden hätte.
Auch bezüglich des Angeklagten Carab M. bestehe nach wie vor dringender Tatverdacht. Dieser habe zwar angegeben, er habe nur mitgemacht, weil sein kleiner Sohn vor geraumer Zeit entführt worden sei und er diesen nur mit einem Betrag von 1.100 US-Dollar freikaufen könne. Dies ändere aber nichts an dem Tatverdacht und an der erheblichen Straferwartung. Im Übrigen gälten für ihn die gleichen Erwägungen wie für Abdul Kader M.
Die Entscheidungen des Gerichts überraschen mich nicht. Es wird nun abzuwarten bleiben, ob die beiden Angeklagten Haftbeschwerde einlegen, über die dann das Oberlandesgericht entscheiden müsste. Das Verfahren selbst wird sich jedenfalls noch etliche Zeit hinziehen. Das ist nicht leicht für die inhaftierten Angeklagten.
Kategorie: Strafblog
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