Eigentlich war´s eine richtige Pipi-Strafsache, in der ich heute vor einem Amtsgericht im erweiterten Ruhrgebiet verteidigt habe. Für den Mandanten ging´s allerdings um Einiges, stand er doch nicht unerheblich unter Bewährung, und deshalb habe ich die Verteidigung auch übernommen.
Der Vorwurf war banal: Hehlerei an einer Playstation, die ein 16-jähriger Schüler eine halbe Stunde zuvor bei Saturn geklaut und dem Mandanten dann für 47 Euro zum Kauf angeboten hatte. Der hatte kurz überlegt und das Geschäft dann abgeschlossen. Bei der Polizei und auch heute im Gericht hat der Mandant sich dahingehend eingelassen, dass er nicht gewusst und auch nicht geahnt habe, dass das Gerät gestohlen sein könnte. Der Junge habe ihm erzählt, er habe das Gerät von seiner Oma geschenkt bekommen. Er brauche aber Geld, weil er bestohlen worden sei und sonst nicht wisse, wie er nach Hause kommen solle. Das Gerät habe gebraucht ausgesehen, außerdem sei ein fremdes Ladekabel dabei gewesen. Der Junge habe ihm leid getan, außerdem sei die Playstation seiner Tochter defekt gewesen, so dass er sich zum Kauf entschlossen habe.
Der Junge hat zugegeben, das Gerät bei Saturn gestohlen zu haben. Er habe dieses aus der Verpackung genommen und alle Etiketten abgemacht. Dann hätte er ein anderes Ladekabel, das zu seiner eigenen Playstation gehörte, dazu gelegt und an verschiedenen Stellen versucht, dieses zu verkaufen. Meinem Mandanten habe er erzählt, das Gerät sei ihm von der Oma geschenkt worden, er hätte aber keine Verwendung dafür und wolle es deshalb verkaufen. Dass er erzählt habe, er müsse Geld haben, um nachhause zu kommen, treffe nach seiner Erinnerung nicht zu.
Damit war die Beweisaufnahme beendet. „Und was machen wir jetzt?“, fragte der Richter. „Die Beweisaufnahme schließen und freisprechen“, schlug ich vor. Ich legte kurz dar, dass eine Verurteilung ersichtlich nicht in Betracht komme. Insbesondere das fremde Ladekabel hätte gerade nicht auf eine soeben geklaute Sache hingewiesen und außerdem habe der Junge eine plausible Erklärung abgegeben, die mein Mandant unwiderlegbar nicht in Zweifel gezogen habe.
Jetzt lief die resolute Referendarin, welche die Staatsanwaltschaft vertrat, zur Form auf. „Sie plädieren ja schon, das sieht die Strafprozessordnung nicht vor!“, rügte sie mich. „Na ja, das sehe ich noch als zulässige Erklärung nach § 257 StPO an“, meinte der Richter. „Außerdem hat der Vorsitzende ja die Frage in Raum gestellt, was wir jetzt machen sollen“, ergänzte ich, „das habe ich nur mit einem Vorschlag beantwortet, außerdem bin ja schon fertig mit meinen Ausführungen!“ Indigniert schüttelte die Referendarin den Kopf. „Eine Freispruch sehe ich nicht“, meinte sie. „Was halten Sie von einer Einstellung nach § 153 a StPO?“, fragte der Richter. „Das fällt mir bei einer deutlichen Freispruchlage schwer“, antwortete ich, „aber über eine Einstellung nach § 153 ohne „a“ würde ich mit mir reden lassen.“ Dabei hatte ich natürlich den als Damoklesschwert über meinem Mandanten schwebenden möglichen Bewährungswiderruf im Kopf. Und außerdem weiß man ja nie sicher, wie die Justiz entscheidet. Vor Gericht und auf hoher See ….., Sie wissen schon.
„Na, dann gehen Sie mal telefonieren“, schlug der Richter der Referendarin vor, die für eine Zustimmung zu einer Einstellung das Plazet ihres Ausbilders benötigte. Widerwillig ging die robuste Dame ins Richterzimmer, um den ausbildenden Staatsanwalt anzurufen. „Keine Einstellung!“, triumphierte sie, als sie in den Saal zurück kam, und dann beantragte Sie 90 Tagessätze Geldstrafe. Der Junge hätte ja dementiert, dass er gesagt habe, er brauche Geld, um nach Hause zu fahren, und das sei glaubhaft und damit stehe die Schuld des Angeklagten fest.
Ich war ganz froh, dass die Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Einstellung verweigert hatte, denn mein Instinkt sagte mir, dass es in diesem Fall einen Freispruch geben würde, den ich dann auch beantragte. Der Richter sprach frei und wies darauf hin, dass allein der Glaube, dass es auch anders gewesen könnte, nicht ausreiche, um auf der subjektiven Seite einen Tatvorsatz anzunehmen. Und immerhin sei die Geschichte, die der Junge meinem Mandanten aufgetischt habe, nicht unplausibel und das fremde Ladekabel hätte durchaus dafür gesprochen, dass er das Gerät schon längere Zeit in seinem Besitz hatte. Es reiche einfach nicht zu einer sicheren Überzeugung von der Schuld des Angeklagten.
Die Referendarin schaute ein wenig grimmig, als sie die Ausführungen des Richters hörte. Ich verabschiedete mich freundlich und bin ein wenig gespannt, ob jetzt noch Berufung eingelegt wird. Sollte die Referendarin mal Staatsanwältin werden, wird mit ihr vielleicht nicht gut Kirschen zu essen sein.
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