Also, ich finde, 1000 Prozent Vertrauen ist ziemlich viel, wenn es schon mit den hundert Prozent hapert. Wenn jemand das 10fache des Vollvertrauens für sich in Anspruch nimmt, dann ist jedenfalls eine gewisse Vorsicht geboten. Aber wer kennt das nicht?
Da ist zum Beispiel mein Mandant Alfred Apfel. Der heißt in Wirklichkeit natürlich anders, und den genauen Sachverhalt kann ich aus Gründen der anwaltlichen Schweigepflicht auch nicht erzählen, aber Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen:
Vor drei Wochen hat der Herr Apfel mich in meiner Kanzlei aufgesucht und mir ein Mandat angetragen. Es geht im weiteren Sinne um Wirtschaftskriminalität, da sollen ein paar Lieferanten mit gefakten Warenbestellungen übers Ohr gehauen worden sein, höhere Schadenbeträge stehen im Raum. Verschiedene Leute, die sich wohnortmäßig über Deutschland verteilen, sind in die Sache involviert und die Kripo ermittelt. Es hat auch schon verschiedene Durchsuchungsmaßnahmen gegeben, deshalb herrscht eine gewisse Nervosität in den Beschuldigtenkreisen.
Ich habe mit dem Mandanten die Sache erörtert, wir haben – das gehört ja irgendwie dazu – auch Honorarfragen besprochen. Das sei alles kein Problem, meinte der Mann, wichtig sei ja, dass ihm geholfen werde. Den vereinbarten Vorschuss werde er umgehend zahlen, das sei ja wohl selbstverständlich. Also habe ich mich darum bemüht, das Aktenzeichen des Verfahrens herauszufinden und schon einmal die Akte anzufordern.
Ein paar Tage später erschien Herr Apfel nach vorheriger telefonischer Vereinbarung in der Kanzlei. Er war inzwischen noch nervöser geworden, weil die polizeilichen Ermittlungen sich ausgeweitet hatten. Er brauche noch einmal Rechtsrat, wie er sich in gewissen Situationen am besten verhalten solle, meinte er. Ich habe ganz höflich darauf hingewiesen, dass der versprochene Vorschuss noch nicht eingegangen sei. „Oh“, meinte Alfred treuherzig, „Ich werde mich sofort darum kümmern. Ich werde das Geld heute noch in bar vorbeibringen. 1000prozentig, verlassen sie sich darauf!“
Ich habe den gewünschten Rechtsrat erteilt, aber gleichzeitig auch darauf hingewiesen, dass ich weitere Tätigkeiten vom Eingang des Vorschusses abhängig machen würde. Das leuchte ihm ohne weiteres ein, wurde ich beschieden.
Wer an diesem Tag nicht mehr in die Kanzlei kam und auch in den Tagen danach keine Zahlung leistete, war Herr Apfel. Aber immerhin rief er an und meinte, am kommenden Wochenende könnten wir uns treffen, dann würde er das Geld mitbringen. „Am Wochenende? „, erlaubte ich mir zu fragen. Ja, dann sei er gerade in der Gegend, vorher bekomme er das nicht hin. „Dann überweisen Sie doch einfach den Vorschuss auf unser Konto“, schlug ich vor, aber das war ihm nicht recht.
Er solle mich am Samstag anrufen, habe ich schließlich eingewilligt, wenn ich abkömmlich sei, könnten wir uns kurz treffen. „Machen Sie sich keine Sorge“, meinte Herr Apfel, „sie kriegen ihr Geld schon. Schließlich brauche ich Sie ja.“ Und außerdem, auf ihn könne ich mich zu 1000 Prozent …. Sie wissen schon.
Ich habe Herrn Apfel am Wochenende nicht zu Gesicht bekommen und auch keinen Anruf erhalten. Dafür teilte er am vergangenen Montag mit, dass er am Donnerstag ins Büro kommen werde. Er müsse dazu einen Termin machen, wurde ihm gesagt.
Heute ist Sonntag, ich habe Herrn Apfel noch nicht wieder gesehen. Aber er rief mich, weil er meine Mobilnummer hat, soeben an. Er sei sehr krank gewesen, meinte er, ziemlich erkältet, „so eine richtige Sommergrippe, Sie wissen schon“. „Und deshalb haben Sie unter der Woche nicht anrufen können und behelligen mich am Sonntag?“, habe ich ihn gefragt.
Er wolle ja nur nicht, dass ich denke, dass er unzuverlässig sein, meinte der Mann. „Keine Sorge, ich verlasse mich 1000prozentig auf Sie, aber jetzt habe ich Wochenende“, habe ich geantwortet und das Gespräch beendet.
Ich freue mich schon jetzt darauf, Morgen auf das Mandantenkonto zu schauen. Ich bin sicher, dass der Habenstand katapultartig in die Höhe geschossen sein wird. 1000prozentig!!!
Kategorie: Strafblog
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