„Ich habe doch immer mein Wort gehalten, Herr Anwalt, und Ihr Geld haben Sie immer bekommen!“



Veröffentlicht am 16. Mai 2012 von

Es gibt Menschen, die leiden an chronischer Realitätsverschiebung. Darunter sind ab und an auch mal Mandanten. Die versprechen viel, halten wenig und behaupten aber, absolut zuverlässig sein. Vor allem, wenn es ums Honorar geht. Vielleicht halten sie ihren Verteidiger ja auch nur für blöd, aber das will ich nicht unterstellen. Dann müssten sie ja im eigenen Interesse den Anwalt wechseln.

Jedenfalls habe ich gestern einen von dieser Spezies an der Strippe gehabt. Da steht demnächst eine Hauptverhandlung an und ich hatte ihm mehrfach gesagt, dass ich ohne ausreichenden Vorschuss weder zu einer Vorbesprechung noch zur Teilnahme an der Verhandlung bereit bin. Und zuvor müsste er erst mal seine Altschulden begleichen, die hier schon seit Jahren offen stehen. Als der Mann vor einigen Monaten in die Kanzlei kam, um mich zu mandatieren, war ich einigermaßen erstaunt, weil ich in der alten Sache seit langem gegen ihn vollstreckte. Da standen noch einige tausend Euro auf der Forderungsliste. „Sie bekommen Ihr Geld selbstverständlich“, meinte der Mann und schaute mich treuherzig an. „Ich habe doch immer mein Wort gehalten und Ihr Geld haben Sie immer bekommen!“ Als er mein Kopfschütteln registrierte, fügte er hinzu: “ Na ja, meistens jedenfalls und ich habe mir immer Mühe gegeben!“ Und dann erzählte er mir, dass er zwischenzeitlich andere Anwälte ausprobiert hätte, aber die könnten mir nicht das Wasser reichen, also ganz ehrlich nicht, und weil es jetzt brisant wäre, sei er halt wieder zu mir gekommen. „Das schaffen nur Sie, Herr Pohlen“, sagte er in der Inbrunst der Überzeugung. Ich verzichtete darauf, mich geschmeichelt zu fühlen, und meinte trocken, er solle erst mal seine Altschulden bezahlen, dann würde ich mich für ihn bestellen und die Akten in der neuen Sache anfordern. Bearbeiten würde ich den Fall aber erst, wenn er einen angemessenen Vorschuss bezahlt hätte. „Das ist ja klar“, antwortete er treuherzig und blätterte dann tatsächlich ein paar Tausender auf den Tisch. „Den Rest bekommen Sie nächsten Monat, dann sind die Altschulden schon mal getilgt“, meinte er. „Und selbstverständlich bekommen Sie dann auch Ihren Vorschuss für die neue Sache, das ist doch klar!“

Immerhin hat der Mann auf die Altschulden noch weitere kleinere Zahlungen geleistet, ein Rest steht aber noch offen. Und Vorschuss für die neue Sache – Fehlanzeige.

„Sie wissen doch, dass Sie sich auf mich verlassen können“, meinte der treue Mandant gestern ungerührt, „ich brauche aber noch ein paar Wochen, bis das Geld zur Verfügung steht.“ Ich zeigte mich gnadenlos und wies darauf hin, dass ich nicht bis nach dem Prozess auf mein Geld warten könne. Altes Strafverteidigerlatein: Dem Geld, das bis zur Verhandlung nicht da ist, läufst du hinterher. Nicht selten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. „Aber ich bin doch nicht so!“, versicherte mir der Mann, als ich ihm diese Weisheit vorhielt, „Sie kennen mich doch!“

Ja eben, das ist es ja. Jetzt will er sich bemühen, doch noch etwas schneller an Geld zu kommen, um mich zu bezahlen. Er brauche mich ja für die Verhandlung, ohne mich sei er aufgeschmissen, meinte er. Ich habe ihm abgeraten, Straftaten zu begehen, um das Geld aufzutreiben. „So bin ich doch nicht, das wissen Sie doch!“, antwortete er treuherzig. „Ich weiß“, entgegnete ich, während ich in seinem Strafregisterauszug blätterte. 7 Eintragungen wegen Betruges finden sich da, aber immer gab es Bewährung. Die Richter haben halt auch erkannt, dass der Mann eigentlich ganz anders ist.

 


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