Im Strafrecht und im richtigen Leben: Frauen sind anders und Männer auch



Veröffentlicht am 18. April 2012 von

JVA Stuttgart-Stammheim, Foto: Mussklprozz

Wie ein Blick in die Statistiken des Statistischen Bundesamt in Bonn zeigt,  saßen im Jahr 2011 insgesamt 60.067 Menschen in Deutschland in Straf- und Sicherungshaft. Nur zirka 3.300 davon waren weiblich, so dass der Frauenanteil insgesamt bei etwa 5 Prozent lag. In Sicherungsverwahrung befanden sich im Jahr 2011 fast ausschließlich Männer: Der Frauenanteil lag dort nur bei einem halben Prozentpunkt.

Dies spiegelt deutlich die zumindest statistisch geringere Straffälligkeit von Frauen im Vergleich zu Männern wieder.  Interessant ist auch,  welche prägnanten Unterschiede bei den verwirklichten Deliktstypen es zwischen den Geschlechtern gibt.

So gibt es Straftaten, die statistisch gesehen nur ganz  vereinzelt von Frauen verübt werden, wie etwa Raubmord, Geiselnahme mit Tötung des Opfers oder sexuell motivierte Tötungen. Bei sexuellem Missbrauch von Kindern haben Frauen meist keine sexuell gesteuerten Gründe, an der Tat teilzunehmen. Auch Amokläufe mit wahlloser Tötung passen anscheinend nicht zum weiblichen Geschlecht.

Die Psychologin Elisabeth Müller-Luckmann berichtet in einem Beitrag in der Schriftreihe „Kriminologie und Praxis“ der Kriminologischen Zentralstelle e.V., dass bei Frauen Taten häufig durch Ereignisse oder Relikte sehr früher Lebensphasen ihren Ursprung nehmen. So zitiert die Autorin die Soziologin Franziska Lamott und den Sexualmediziner Friedmann Pfäfflin, die nach einer Untersuchung von 37 Frauen, die Tötungsdelikte begangen hatten, zu folgenden Erkenntnissen kamen:

Frauen die ihren Ehemann töteten, hatten überdurchschnittlich oft eine liebevolle aber schwache Mutter, die sich gegen einen meist physisch und psychisch dominanten Vater nicht durchsetzen, geschweige denn wehren konnten. Gleichzeitig wurde der Vater von den Täterinnen oft idealisiert.

Zur Traumatisierung trägt der Studie zu Folge nicht selten sexueller Missbrauch durch den Vater oder Stiefvater bei. Aber auch in eigenen späteren Beziehungen haben ca. zwei Drittel der später tötenden Frauen Erfahrungen mit Gewalt oder sexuellem Missbrauch gemacht.

Unsichere Bindungen und unverarbeitete Traumatisierung spielen nach Auffassung der beiden zitierten Autoren  eine große Rolle bei der Wahl der Partner, der Persönlichkeitsentwicklung, und sind entscheidend für die Entwicklung von Abwehrmechanismen.

Müller -Luckmann beschreibt den Ablauf so, dass die spätere Täterin kurz vor der Tat keine Alternative mehr zu dieser sieht und durch eine absolute Verengung der sozialen Wahrnehmung, die sich über eine längeren Zeit entwickelt hat, das spätere Opfer als Tötungsobjekt nur noch als ein solches wahrnimmt, den Tod des Opfers also als einzigen Ausweg begreift.

Sehr prägnant sei diese höchst weibliche Wahrnehmung vor allem bei Fällen der Kindstötung oder Aussetzung. Die vorhergehende Leugnung der Schwangerschaft mache das Ausmaß der Realitätsentfremdung trotz eindeutiger Symptome und die wahrgenommene “Einsamkeit” inmitten der Gesellschaft sehr deutlich.

Man sieht, Frauen sind anders und Männer auch …


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