In Ulm und um Ulm und weg von Ulm – Eine unvollständige Beweislage und ein verständiger Richter



Veröffentlicht am 24. März 2013 von

 

Das war am vergangenen Donnerstag eine lange Reise zum Ulmer Schöffengericht mit ein paar Hindernissen und wenig zählbarem Ergebnis. Aber irgendwie war das abzusehen gewesen. Immerhin war der Spuk, Verzeihung, die Verhandlung, nach eineinhalb Stunden zu Ende, ohne dass einer der geladenen Zeugen gehört worden wäre. Und wir konnten uns auf den Rückweg nach NRW machen. Auf dem Hinweg hatten wir noch ziemliche Verkehrsprobleme gehabt, weil der Kölner Hauptbahnhof wegen eines Stellwerkausfalls stundenlang out of order war und wir erst einmal nach Köln Deutz umgeleitet wurden, von wo unser Zug dann ab noch einigermaßen pünktlich losfuhr. Letztlich kamen wir mit nur 20 Minuten Verspätung am Abend in Ulm an.

In der Sache geht es um den Vorwurf des Betruges in etlichen Fällen. Eine zu den Tatzeitpunkten angeblich zahlungsunfähige Firma soll  Aufträge entgegengenommen und erteilt haben, ohne leistungsfähig und – willig zu sein. Deshalb hatte die Staatsanwaltschaft Ulm ein Ehepaar angeklagt, sie als eingetragene Geschäftsführerin,  er als faktischer Geschäftsführer der Firma. Eine bekannte Konstellation in solchen Verfahren.

Gegen die Angeklagten läuft noch ein weiteres Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Augsburg. Da geht es um angebliche Insolvenzverschleppung, Steuerhinterziehung und Betrug. Und um dieselbe Firma. Die Augsburger Staatsanwaltschaft bzw. das dortige Finanzamt haben zahlreiche Firmenunterlagen beschlagnahmt, auch eine Festplatte mit Daten des Unternehmens. Seit mehr als einem Jahr habe ich mich darum bemüht, in diese Beweismittel Einblick zu nehmen. Bis Ostern  sei  die Anklage  fertig, hatte mir der zuständige Staatsanwalt damals gesagt, ich war naiv genug, nicht zu fragen, Ostern in welchem Jahr er denn meine. Spätere Bemühungen um Akteneinsicht wurden jeweils mit Hinweis auf noch laufende Ermittlungen und mögliche Gefährdung des Ermittlungszwecks abgewiesen. Im Mai oder Juni 2012 beschied mich der Staatsanwalt, dass die Ermittlungen bis November abgeschlossen sein werden und ich dann Akteneinsicht erhalten könne. Diesmal fragte ich nach, welches Jahr denn gemeint sei. „Dieses Jahr natürlich“, wurde mir in ungnädigem Ton mitgeteilt. Aber dieser Zeitpunkt ist jetzt auch schon wieder um mehrere Monate überzogen, ohne dass die Ermittlungen abgeschlossen wären oder dass ich Einsicht in die Beweismittel hätte nehmen können.

Im Ulmer Verfahren hatte ich ursprünglich angeregt, dieses doch gem.  § 154 StPO im Hinblick auf das Augsburger Verfahren einzustellen. Das hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Dann sollten die im Augsburger Verfahren sichergestellten Unterlagen und Daten vom Schöffengericht  Ulm beigezogen werden,  hatte ich beantragt, damit die wirtschaftliche Lage des Unternehmens festgestellt und der mit den Kunden ausgetauschte email-Verkehr auf seine Verfahrensrelevanz überprüft werden könne. Das Finanzamt Augsburg hatte es jedoch abgelehnt, eine Kopie der Festplatte, auf der sich ausschließlich Daten der Angeklagten befinden und die auch in deren Eigentum steht, zur Verfügung zu stellen, weil das Original bei deren Steuerberaterfirma sichergestellt worden sei und diese wegen rückständiger Honorare ein Zurückbehaltungsrecht haben könne. Das ist schon ziemlich merkwürdig, finde ich. Für ein Strafverfahren notwendige und zu diesem Zweck sichergestellte Beweismittel werden von den Strafverfolgungsbehörden wegen möglicher zivilrechtlicher Zurückbehaltungsrechte eines Dritten nicht zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestellt. Ich habe vor dem Amtsgericht Ulm geltend gemacht, dass unter diesen Voraussetzungen eine Verteidigung gegen die Tatvorwürfe kaum möglich sei. Das Gericht sei unter Amtsaufklärungsgesichtspunkten gehalten, die Unterlagen und die Festplatte beizuziehen. Diese müssten auch der Verteidigung zur Verfügung gestellt werden. Das sah das sehr verständige Gericht nach Anhörung der Staatsanwältin, die sich meiner Argumentation auch nicht verschließen konnte, genauso. Deshalb wurde vertagt. Neuer Termin von Amts wegen.

 


Kategorie: Strafblog
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