In der letzten Woche hatte ich einen Beitrag zu einem  Großbetrug mit Rückruf-Nummern geschrieben und hierzu einen interessanten Literaturhinweis von einem Leser erhalten, den ich gerne weitergebe und der nicht nur für Praktiker, sondern auch für Jurastudenten von Interesse sein dürfte. In der JuS 2013, 193 findet sich unter der Überschrift „Neue Technologie und altes Strafrecht: Betrug durch Ping-Anrufe“ ein Beitrag von Prof. Dr. Ralf Kölbel, der die unterschiedlichen Auffassungen zu dem Thema  und auch die unterschiedliche praktische Handhabung durch die Staatsanwaltschaften aufzeigt und auf lehrreiche Weise dogmatische und praktische Probleme anspricht. Danke erst einmal an Andreas Wessel, der mich auf den Beitrag aufmerksam gemacht hat.

Kölbel zeigt auf, wie sich generell-abstrakte Normen (vorliegend der Betrugstatbestand) auf Sachverhalte anwenden lassen, an die der Gesetzgeber  bei Schaffung der Norm noch nicht gedacht hat und auch noch gar nicht denken konnte, weil die rasante technische und gesellschaftliche  Entwicklung noch gar nicht absehbar war. Gerade die Unbestimmtheit und Unschärfe von Normen sorgten für eine Offenheit gegenüber neuen Regelungssachverhalten, die funktionaler sein könne als manche „Neuregelungskaskaden“. Er nennt das „Rechtsevolution in action“.

Es würde zu weit führen, den Beitrag hier im Einzelnen darzustellen, da verweise ich lieber auf den Originaltext, der sich auf breit gefächerte Weise des Problems annimmt. Kölbel kommt zu dem Ergebnis, dass der Betrugstatbestand durchaus geeignet ist, den Sachverhalt zu erfassen, auch wenn insoweit zum Teil ernsthafte Bedenken vorgetragen werden. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Rechtsentwicklung in diese Richtung stabilisiere und Lockanrufe zukünftig in die Dogmatik des Betrugstatbestandes eingehen werden. Allerdings könne das Rechtssystem dies auch wieder „vergessen“, wenn etwa wegen schwindender Attraktivität der Taten oder wegen gestiegener Verfolgungsdichte kein Normanwendungsanlass mehr gegeben sei. Ein interessanter Ansatz, finde ich, mit der Vergesslichkeit des Rechtssystems habe ich mich bislang noch nicht allzu bewusst befasst.