Ist der Missbrauch einer anwaltlichen Strafrechtsnotrufnummer eigentlich strafbar?



Veröffentlicht am 13. August 2012 von

Notrufsäule in New York; „© Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)“

Gestern Nacht um 0:14 Uhr. Mein Handy klingelt, ich sehe, es ist die Weiterschaltung unserer Notrufnummer. Da wird wohl jemand festgenommen worden sein oder es liegt ein anderer Notfall vor, denke ich. Immerhin bieten wir auf unserer Webseite einen 24-Stunden-Service an.

„Sie sind unverhofft in ein Ermittlungsverfahren geraten oder sogar verhaftet worden? Rufen Sie uns an! Unsere Anwälte sind immer für Sie da:     24 Stunden am Tag – 7 Tage in der Woche. 02161 – 69 79 00 oder 0700 – 110 99 110„, heißt es dort.

Das kann man anscheinend unterschiedlich interpretieren. Karl M. ist am Telefon, dem habe ich vor einigen Tagen die Mandatsniederlegung angedroht, weil er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und auf diverse Mahnungen nicht reagiert hat.

„Das ist schön, dass ich Sie erreiche“, leitet Karl das Telefonat ein, „ich dachte schon, Sie liegen im Bett!“

„Da liege ich auch!“, anworte ich und verschweige, dass ich mir gerade hellwach die Olympiaschlussfeier anschaue, was im Hintergrund deutlich zu hören ist. „Geht es um einen Notfall?“, frage ich. „Es ist nach Mitternacht!“

„Ich wollte mit Ihnen über eine Ratenzahlung sprechen“, antwortet Karl, „momentan bin ich ziemlich klamm!“

Ich merke, wie sich meine Stirn in Falten zieht und in mir ein Bedürfnis hochkriecht, dem Mann durch´s Telefon an die Gurgel zu springen. „Rufen Sie mich morgen im Büro an, jetzt ist Feierabend“ antworte ich  reichlich unwirsch und will das Telefonat wegdrücken.

„Im Internet steht aber, dass ich 24 Stunden am Tag anrufen kann!“, kontert Karl ungerührt.

„Aber nur in Notfällen!“, entgegne ich, wobei ich mir trotz aller Dreistigkeit des Mannes der Gedanke kommt, das Zahlungsunfähigkeit gewissermaßen ja auch ein Notfall ist.

„Herr Pohlen, komm´, jetzt sei nicht so“, anwortet Karl, und nachdem ich die Lautstärke des Fernsehers heruntergedreht habe,  merke ich, dass seine Stimme reichlich verwaschen klingt.

„Jetzt legen Sie sich mal ins Bett und schlafen Sie Ihren Rausch aus“, sage ich einigermaßen milde, „Und rufen Sie mich morgen in der Kanzlei an oder vereinbaren Sie einen Termin!“

Bevor der Mann noch etwas sagen kann, drücke ich ihn weg. Zweimal klingelt mein Handy danach noch, ich sehe die Notrufnummer und gehe nicht mehr dran. Mir fällt § 145 StGB ein, wonach der Missbrauch von Notrufen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht ist. Vielleicht müssten wir unsere Webseite aktualisieren und ein Strafhonorar für den Missbrauch unseres Notrufs einführen. Aber was nützt das schon, wenn der Mann schon das vereinbarte Honorar nicht zahlen kann?

Ich drehe den Ton wieder lauter und schaue mir das beeindruckende Schlussspektakel der Olympischen Spiele bis zum Ende an. It´s wonderful!!!


Kategorie: Strafblog
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