Es gibt Sachen, die gibt´s gar nicht. Da sucht man immerwährend nach interessanten Themen für Blogbeiträge, und während der Blick in die Ferne schweift, übersieht man die fette Beute unmittelbar vor den eigenen Augen.
Seit Monaten versuche ich vergeblich, die Kollegin Viktoria Nagel zur Abfassung von strafblog-Beiträgen zu animieren. „Mach ich demnächst mal“, gibt sie dann genervt zurück und verweist auf die Aktenberge in ihrem Zimmer. „Wann soll ich das denn noch machen?“, stöhnt sie dabei und ich habe ja auch ein gewisses Verständnis. Man braucht neben der erforderlichen Zeit überdies auch eine gewisse Affinität zum journalistischen Treiben, die hat halt nicht jeder.
Die Kollegin erzählte mir in der vergangenen Woche mal so nebenbei, dass ihr aus dem Umfeld eines Mandanten, den sie im Strafvollstreckungsverfahren vertritt, ein paar sakrale Gegenstände zugespielt worden seien, die aus einem Kirchendiebstahl stammen und die an die Kirche zurückgeführt werden sollten. Wir haben kurz erörtert, auf welchem Weg dies geschehen könne. Schließlich haben wir die Sachen, die ich mir nie angeschaut habe, von der Kripo abholen lassen.
Hintergrund war, dass die Kollegin für den Mandanten, der wegen bandenmäßigen Diebstahls oder Hehlerei im Rahmen einer Wahlfeststellung zu mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, einen Halbstrafenantrag gestellt hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Stellungnahme verlauten lassen, dass eine Reststrafenaussetzung – wenn überhaupt – nur im Falle einer Rückführung des Diebesgutes in Betracht komme, keinesfalls aber zum Halbstrafenzeitpunkt. Dass es sich bei dem Diebesgut unter anderem um den Bischofsstab des legendären Kirchenmannes Clemens August Kardinal Graf von Galen handelte, wusste die Kollegin nicht, weil sie nicht im Erkenntnisverfahren, sondern erst kurzzeitig im Vollstreckungsverfahren für den Mandanten tätig war und noch keine Akteneinsicht gehabt hatte. Und mir selbst ist erst ein Licht aufgegangen, als ich vorgestern bei focus.de einen Beitrag mit dem Titel „Kirchendieb gibt Bischofsstab Kardinal von Galens zurück“ las.
„Mit dem Bischofsstab wurde auch ein Altarkreuz zurückgegeben. Beide Kirchenschätze sind aus vergoldetem Silber und reich verziert; der Wert liegt bei insgesamt etwa 50 000 Euro“, heißt es in dem Beitrag. „Der ideelle Wert übersteigt den materiellen bei weitem“, wird Jochen Reidegeld, stellvertretender Generalvikar des Bistums Münster, zitiert. Er habe den Ermittlern seinen „tief empfundenen Dank“ für ihre Arbeit ausgesprochen. Die beiden Kunstschätze waren 2009 in der Ludgerusbasilika in Essen aus einer Ausstellung anlässlich der Seligsprechung von Galens gestohlen worden
Naja, der Dank hätte wohl eher der Kollegin Nagel gebührt. Die hat sich nämlich intensiv um eine Rückführung des Diebesguts bemüht, obwohl die Staatsanwaltschaft auch für diesen Fall ausdrücklich angekündigt hatte, sie werde eine etwaige positive Halbstrafenentscheidung des Gerichts auf jeden Fall anfechten. Mit anderen Worten: Die Staatsanwaltschaft, die keine Ahnung vom örtlichen Verbleib des Diebesgutes hatte, blockierte mit ihrer Haltung eher die Motivation zur Rückführung des Kirchenschatzes. Hätte man sich daran orientiert, wäre von Galens Bischofsstab jetzt noch verschollen. Trotzdem hat die Kollegin Nagel nach Rücksprache mit dem Mandanten zunächst einen polnischen Anwalt engagiert, an den das nach Polen verbrachte Diebesgut von Bekannten des Mannes ausgehändigt werden sollte. Der sollte sich dann mit der Kripo in Kattowitz in Verbindung setzen und die Sachen dort zur Weiterleitung an die Wuppertaler Staatsanwaltschaft übergeben. Die Quelle, aus der er das Diebesgut erhalten hat, hätte er aufgrund seiner anwaltlichen Schweigepflicht nicht benennen müssen. In Polen war es allerdings zu Verzögerungen in der Abwicklung gekommen. Wegen der Eilbedürftigkeit der Haftsache hatten dann Mittelsleute des Mandanten die Beute nach Deutschland verbracht und diese – etwas pietätlos in blaue Plastiksäcke verpackt – in unserer Kanzlei abgegeben. Das war nicht mit der Kollegin abgesprochen und wegen des Entdeckungsrisikos beim Grenzübertritt eine waghalsige Angelegenheit. Wer hätte denen schon geglaubt, dass sie die Sachen nur an den rechtmäßigen Besitzer zurückführen wollten?
Kardinal von Galen ist von Papst Benedikt XVI. am 09. Oktober 2005 selig gesprochen worden. Während er in der Öffentlichkeit zumeist als überzeugter Gegner des Nazi-Regimes dargestellt wird, gibt es auch kritische Stimmen, die ihm eine ambivalente Haltung vorwerfen. Näheres hierzu ist bei wikipedia nachzulesen. In vielen deutschen Städten gibt es eine von-Galen-Straße. Es gibt zahlreiche weitere Stätten der Galen-Verehrung und seine Reliquien haben in der katholischen Kirche einen hohen Stellenwert. Und wir hatten eine davon zumindest zeitweise in unserer Kanzlei. Vielleicht fällt ja ein wenig Glanz davon auf uns ab und wir sind jetzt ein seliger Ort!
Und die Kollegin Nagel sieht trotz der Verweigerungshaltung der Staatsanwaltschaft gute Chancen für das Halbstrafengesuch. Vielleicht hilft ja der selige Kardinal dabei.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Ist unsere Kanzlei jetzt ein seliger Ort? Wir hatten den Bischofsstab des Kardinals von Galen!
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