Jesus oder Igel: Selbstlose Sachbeschädigung macht spanisches Dorf auf einen Schlag berühmt.



Veröffentlicht am 25. August 2012 von

Man kann sich als Strafrechtler eigentlich kaum darüber streiten, dass der mit 70 Jahren nicht mehr ganz jugendlichen Täterin ein zumindest bedingter Vorsatz einer Sachbeschädigung unterstellt werden muss. Wer sich ohne jegliche einschlägige Erfahrung und offensichtlich auch ohne nennenswertes künstlerisches Talent daran macht, ein historisch wertvolles Kirchenfresko zu restaurieren, der nimmt wohl billigend in Kauf, dass nichts allzu Gutes dabei herauskommen wird. Obwohl ….. aber sehen wir weiter.

Was ist geschehen? Da gibt es in der nordspanischen Provinz Zaragoza ein 5.000-Seelen-Örtchen namens Borja, das nach der Darstellung des WELT-Reporters Tim Ackermann so unauffällig ist, dass seine Existenz bislang nur Insidern aufgefallen ist. Jedenfalls hätten seine Bewohner immer sehr viel Zeit darauf verwendet, dass das Leben so ereignislos und unbedeutend verläuft, wie sie es seit jeher gewohnt waren. Und so wäre es wohl auch noch heute, wenn da nicht eine nette ältere Dame wäre, die der Kirche Geld ersparen und die Jahreskollekte nicht unnötig verbrauchen wollte. Die hat sich nämlich dazu entschlossen, ein Kirchenfresko des Malers Elías García Martinez aus dem 19. Jahrhundert, von dem langsam, aber unaufhaltsam die Farbe abblätterte, eigenhändig zu restaurieren, damit es im alten Glanz erstrahlen sollte. Ob es dem Heiland gefallen hat, dass und vor allem wie die Frau Hand an ihn legte, ist nicht verbürgt, aber das Ergebnis dürfte ihm missfallen haben. Es sei denn, dass er inzwischen ganz modernistisch denkt, wer weiß das schon …

In seinem herrlich erfrischenden Beitrag bei welt.de schreibt Ackermann unter Berufung auf ungenannte Fachleute, die sich insoweit einig seien, vom „missglücktesten Restaurierungsversuch aller Zeiten“ und zitiert eine Stadträtin der Gemeinde, die gesagt habe, dass die Amateur-Restauratorin selbst vom Ergebnis ihrer spontanen Tat „geschockt“ gewesen sei. Die Dinge seien ihr wohl „etwas aus dem Ruder gelaufen“, habe sie entschuldigend gesagt.

Nach einem Urteil des britischen Guardian sieht der ehemals ausdrucksstarke Jesus jetzt aus wie ein „aufgeblähter Igel“. Dem Blatt stellt sich die Frage, warum der Igel denn ein fließendes antikes Gewand trägt. In eine „flächige Fratze mit maskenhaft erstarrtem Ausdruck“ habe sich das ehemals sehr gekonnt und plastisch modellierte Gesicht des Gottessohnes verwandelt, schreibt Ackermann, der dem sanft-melancholischen Blick des Originals nachzutrauern scheint. Man muss sich das Bild bei welt.de einfach anschauen, dann wird man verstehen, was gemeint ist.

Jedenfalls ist Borja jetzt in aller Munde, aus und vorbei ist´s mit der anonymen Beschaulichkeit. Von einem spanischen „Schilda“ ist die Rede, und so lange das Kunstwerk nicht erneut – und diesmal fachkundig – restauriert sei, lohne sich eine Pilgerfahrt in das Örtchen schon aus Kuriositätsgründen.

Wer weiß, vielleicht wachen die Bürger Borjas jetzt auf und finden noch Gefallen an der neuen Berühmtheit. Und es besteht Hoffnung, dass der jetzige Zustand noch weiter anhält. Experten untersuchen gerade den Schaden und sehen die Gefahr, dass die erfolgte Restaurierung unumkehrbar ist.

Ob die verhinderte Künstlerin, deren Name von der Gemeinde bislang geheim gehalten wird, mit Schadensersatzforderungen zu rechnen hat, wird nicht berichtet. Und strafrechtlich wird man vielleicht alle Augen zudrücken, könnte ich mir vorstellen, sie hat´s ja eigentlich gut gemeint …


Kategorie: Strafblog
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