Da steht man morgens um fünf auf, um von Hamburg nach Frankfurt zu fahren, und hofft auf eine interessante Hauptverhandlung. „Satz mit X, war wohl nix“, könnte ich ein zur 5. Jahreszeit passendes fast schon karnevalistisches Resumee ziehen. Der einzige Zeuge, dessen Aussage wirklich hätte interessant werden können, wie ich heute morgen schon in einem Blogbeitrag berichtet habe, hat sich erwartungsgemäß auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO berufen, das ihm vom hohen Strafsenat auch vollumfänglich zugebilligt wurde. Damit ist immer noch offen, ob der Mann nun eine Vertrauensperson oder ein Zuträger (manche sagen auch Spitzel) des Verfasssungsschutzes, des Geheimdienstes oder des Bundeskriminalamtes ist. Für die Verteidigung gibt das Argumente. Gegebenenfalls wird das Gericht davon auszugehen haben, dass der Mann ein so genannter Agent Provocateur ist, also ein staatlich beauftragter oder unterstützter Anstifter zu Straftaten.
Zwei weitere geladene Zeugen sind gar nicht erst erschienen und wurden deshalb vom Gericht mit einem Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, belegt, der dritte Zeuge war zwar eine durchaus interessante Persönlichkeit, hat aber im Wesentlichen zu Tatkomplexen ausgesagt, die meinen Mandanten nicht betreffen.
Und danach wurde es richtig schlimm. Es wurde TKÜ (Telekommmunikationsüberwachung) abgehört, also von der Polizei aufgezeichnete Gespräche, die alle in Punjabi geführt worden waren, also einer Sprache, die im nordindischen Bundesstaat Punjab und im pakistanischen Teil des Punjab in verschiedenen Dialekten gesprochen wird. Und weil weder das Gericht noch die Verteidiger – sieht man von einem Kollegen pakistanischer Herkunft ab – diese exotische Sprache verstehen, mussten die abgehörten Telefonate übersetzt werden. Nun hatte es im Vorfeld schon Zweifel an der Korrektheit der schriftlichen Übersetzungen gegeben, so dass das Gericht einen Sprachsachverständigen bestellt hatte, der diese Zweifel klären helfen sollte. Der Sachverständige wiederum hatte seinerseits eine schriftliche Übersetzung der einschlägigen Telefonate gefertigt, die in etlichen Punkten von den Angeklagten angezweifelt wurden. Außerdem war teilweise unklar, wem von den Angeklagten welche Telefonpassagen zuzurechnen waren, und der Sachverständige hatte einige Male was vertauscht. Dispute gab es auch zu der Frage, was Aufgabe eines Sprachsachverständigen ist und ob dieser befugt sei, den Inhalt von Telefonaten über die Wortbedeutung hinaus zu interpretieren. So vergingen etliche Stunden mit der Übersetzung eines einzigen Telefonats. Und selbst das konnte nicht zu Ende geführt werden, weil es inzwischen 17 Uhr geworden war und ein paar Anwälte ihren Flieger nicht verpassen durften. Besonders traurig: Niemand zahlt mir Schmerzensgeld für diesen Tag.
Immerhin habe ich mich am Rande der Verhandlung noch in anderer Sache mit einem Frankfurter Kollegen besprechen können, und das war ein durchaus fruchtbares Gespräch.
Das Beste an diesem langen Verhandlungstag war eindeutig das Mittagessen in einem nahe gelegenen Thai-Restaurant. Die in Blätterteig gebackenen Bananen mit Mandeln, Honig und zwei verschiedenen Eissorten waren ein Gedicht und rundeten die Mahlzeit ab.
Jetzt sitze ich im Zug nach Düsseldorf, wo ich gestern auf dem Weg nach Hamburg mein Auto abgestellt habe.
Nächste Woche geht es weiter mit den Telefonaten. Zumindest an einem der beiden Verhandlungstage werde ich mich durch eine Kollegin vertreten lassen. Geteilter Schmerz ist bekanntlich halber Schmerz.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Kein Schmerzensgeld für langweiligen Verhandlungstag am Frankfurter OLG
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