„Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Anwalt, Sie bekommen Ihr Geld schon …“



Veröffentlicht am 9. April 2014 von

 

MünzenEin Unterschied zwischen allgemein-forensisch tätigen Strafverteidigern und reinen Wirtschaftsstrafrechtlern dürfte sein, dass die Erstgenannten sehr viel häufiger ihrem Honorar hinterherlaufen als die anderen. Es gehört zum kleinen Einmaleins der Strafverteidigung, dass eine solide Vorschusspraxis das Auskommen sichert, während man dem Geld unabhängig vom Verfahrensausgang oft hinterherläuft, wenn man es nicht spätestens vor der Hauptverhandlung kassiert hat. Das alte Sprichwort „Erst die Ware, dann das Geld“ versagt in der anwaltlichen Praxis.

Gestern hätte ich eigentlich in einer mittelprächtigen Strafsache vor einem auswärtigen Gericht verteidigen sollen. Vorgestern habe ich meine Teilnahme an der Hauptverhandlung per Telefax abgesagt, weil der Mandant erneut nicht zu einer vereinbarten Rücksprache erschienen war und trotz zahlreicher Versprechungen den vereinbarten Honorarvorschuss wiederum nicht gezahlt hatte. „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Anwalt, Sie bekommen Ihr Geld schon …“, hatte er mir wiederholt versichert, wobei er die Fragezeichen auf meiner zusammengekrausten Stirn geflissentlich übersah. Es lag kein Fall einer notwendigen Verteidigung vor, so dass die Terminsabsage rechtlich unproblematisch war. In anderen Fällen muss man sich einigermaßen frühzeitig abmelden, damit noch ein anderer Verteidiger beigeordnet werden kann. Eine Terminsabsage „zur Unzeit“ kann nämlich dazu führen, dass dem Verteidiger die Kosten des Termins aufgebrummt werden, was eine reichlich unliebsame Nebenerscheinung einer Mandatsbeendigung ist.

„Können diese Augen lügen?“, fragte mich ein Mandant einmal, als er entgegen anderslautenden Zusagen zum wiederholten Mal ohne Geld in der Kanzlei erschienen war. „Augen lügen nicht, aber die Menschen bisweilen!“, habe ich ihm geantwortet, und dann darauf hingewiesen, dass Zahlungsversprechungen ja nicht immer mit dem Vorsatz erfolgen, nicht zahlen zu wollen, sondern dass manch einem im Nachhinein etwas dazwischen kommt, was die Zahlung verhindert. Für mich ist das ziemlich einerlei, entscheidend ist, dass wir Strafverteidiger wie jeder andere erwerbstätige Mensch eine wirtschaftliche Grundlage für unsere Tätigkeit brauchen. Pro-bono-Mandate sollen die Ausnahme bleiben und außerdem möchte ich selbst darüber entscheiden können, ob und unter welchen Voraussetzungen ich solche annehme.

„Ich bin noch nie in meinem Leben irgendeinem Menschen auch nur einen Pfennig schuldig geblieben“, sagte mir neulich ein säumiger Mandant, und das mag durchaus zutreffend gewesen sein. Allerdings leben wir heute in Euro-Zeiten, da gilt der Pfennig nichts mehr, das Kleingeld rechnet sich seit einigen Jahren bekanntlich in Cent. Und die Cents fehlen bis heute, die Euros übrigens auch. Den Mandanten erreiche ich nicht mehr telefonisch, SMS und Anschreiben beantwortet er nicht mehr. Das Mandat habe ich inzwischen niedergelegt, meinen Honoraranspruch werde ich wohl titulieren und vollstrecken müssen. Mal sehen, ob da etwas zu holen ist…

Ein anderer Mandant hat vor nicht allzu langer Zeit, nachdem auch er Zahlungszusagen über Monate hinweg jeweils mit immer anderen Begründungen verlängert hatte, die Dreistigkeit besessen, beim Gericht zu beantragen, mich ihm als Pflichtverteidiger beizuordnen. Gefragt, ob ich hierzu bereit sei, hatte er mich vorher nicht. Immerhin hat der Richter mich angerufen und wollte wissen, ob ich zu diesen Konditionen verteidigen wolle, was ich verneint habe. Ich habe auch schon erlebt, dass ich in solchen Fällen ohne Rücksprache beigeordnet wurde. Ich musste dann telefonisch oder schriftsätzlich argumentieren, warum ich die Beiordnung nicht akzeptieren kann.

Es gibt Fälle, da kann der Mandant wirklich nichts dafür, dass er die vereinbarten Zahlungen nicht fristgerecht und manchmal überhaupt nicht bzw. nicht in voller Höhe leisten kann. Letzteres kann beispielsweise dann passieren, wenn ein Verfahren eskaliert und viele Verhandlungstage länger dauert als erwartet. Wer mit drei Verhandlungstagen rechnet, ist wirtschaftlich nicht unbedingt in der Lage, 30 Tage zu bezahlen. Das kann die finanziellen Dimensionen sprengen. In solchen wie in anderen Fällen gilt die Devise: „Sprechenden wird geholfen!“ Ich habe noch niemanden hängen lassen, der unverschuldet in eine solche Situation geraten ist. Aber reden muss man halt. Wobei Worte allein auch nicht immer helfen. Man muss auch Lösungen anbieten und Versprechen einhalten, sonst funktioniert das nicht.


Kategorie: Strafblog
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