Sabine Kray: Von Pelzen, Diamanten, Zwangsarbeit und einer langen Spurensuche



Veröffentlicht am 11. April 2014 von

KraySabine1Es ist knapp vier Jahre her, da bin ich im ICE von Berlin nach Düsseldorf mit einer jungen Frau ins Gespräch gekommen, die auf der Suche nach ihrem Großvater war. Nicht im physikalischen Sinne, denn  Edward Kray war schon seit Jahren tot. Aber Spuren seines aufregenden Lebens wollte sie finden,  um ihm auf diese Weise näher zu kommen, sie wollte mit Menschen sprechen, die ihn gekannt hatten, und in Akten und Papieren blättern, die sich mit ihm befassten. Ihre Suche führte die damals 26-jährige Sabine Kray nach Mönchengladbach, wo ihr Opa eine längere Zeit seines Lebens verbracht hatte und wo er wegen seiner kriminellen Vorliebe als „Diamanten Eddie“ bekannt gewesen war.

Als der Großvater noch lebte, hatte Sabine so gut wie keinen Kontakt zu ihm gehabt, aber sie hatte schon als Kind abenteuerliche Geschichten von ihm gehört, die ihre Fantasie beschäftigten und sie nicht in Ruhe ließen. Freundlich und charmant soll ihr Großvater gewesen sein, ein Womanizer mit Hang zu den schönen Dingen des Lebens, Pelze und Diamanten zum Beispiel, die er sich auf nicht immer legale Weise beschaffte. Ein paar große Einbrüche gehen zu seinen Lasten, deshalb haben sich Polizei und Justiz wiederholt mit ihm beschäftigt. „Diamanten Eddie“ hat sich viel in der  Mönchengladbacher Altstadt herumgetrieben, eine seiner Anlaufstellen war Günter Netzers Disco „Lover´s Lane“ auf der in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Waldhausener Straße gewesen. Also lag es nahe, dort mit der Spurensuche zu beginnen, Menschen zu suchen, die ihn gekannt hatten und die ihr von ihm berichten konnten.

Sie wolle ein Buch über ihren Großvater schreiben, hatte Sabine Kray mir erzählt, ihn dadurch wieder ein wenig auferstehen lassen, auch für ihren in Göttingen lebenden Vater, der im wahren Leben nicht allzuviel von seinem Erzeuger gehabt hatte.

In den folgenden vier Jahren hat Sabine Kray sich durchaus mit Besessenheit der Biografie ihres Großvaters gewidmet, ist von Berlin aus etliche Male an den Niederrhein, aber auch nach Polen, woher er stammte, und an andere Orte seines Lebens gereist, hat mit vielen Menschen gesprochen, in Akten und Archiven geblättert, und sich ihm immer weiter angenähert, bis das Buch endlich fertig war.

Wenn sie in Mönchengladbach war, hat sie mich etliche Male besucht und über die Fortschritte in ihren Recherchen berichtet und mir auch mal ein paar Seiten aus ihrem Manuskript vorgelesen. Dann ist sie wieder losgezogen, hat sich in irgendwelchen Kneipen mit früheren Weggefährten ihres Opas getroffen und  sich weiteren Input für ihr Vorhaben geholt. Ich habe ihre Energie und vor allem das Durchhaltevermögen bewundert, mit dem sie ihr Anliegen betrieben hat.

Diamanten-EddieJetzt ist der fast 700 Seiten lange Roman über ihren Großvater in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen, und natürlich lautet der Titel – wie sollte es anders sein? – „Diamanten Eddie“.

Vergnügliche Szenen und todernste Geschichten wechseln sich ab in dem spannend geschriebenen, opulenten Werk. Da ist einmal der nonchalante Lebemann Eddie Kray, der seine Umwelt mit magierhaften Tricks und anderen Eigenheiten zu unterhalten weiß, und andererseits der polnische Junge, der als 15-jähriger bei einem deutschen Bombenangriff Eltern und Geschwister verliert und später als Zwangsarbeiter 6 lange Jahre unter unsäglichen Bedingungen in einem deutschen Rüstungsbetrieb arbeiten muss, bis der Krieg zu Ende ist. Das wird in beeindruckenden Worten geschildert und mag der Auslöser gewesen sein für die Lebensgier, die ihn zu den Straftaten verleitet hat. Mehr will ich hier aber nicht verraten, lesen Sie selbst.

Als alter Mönchengladbacher habe ich zusätzliche Freude an dem Lokalcolorit empfunden, das durch das Buch hindurchschimmert. Lover´s Lane, Netzer, die lebhafte Schilderung des 4:1 von Borussia Mönchengladbach im „Endspiel“ um die deutsche Meisterschaft im Juni 1971 im Frankfurter Waldstadion, das ich selbst als Zuschauer  miterlebt habe, da kamen beim Lesen wunderbare Erinnerungen und Assoziationen hoch.

Mit ihrem Roman hat die heute 30 Jahre alte Sabine Kray ihrem Großvater ein literarisches Denkmal gesetzt. „Diamanten Eddie“ ist wunderbar. Mein Tipp: Kaufen und lesen!

 

 


Kategorie: Strafblog
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