Mal wieder Augsburg: Ein langer Trip im Kampf um´s Recht



Veröffentlicht am 27. Februar 2013 von

Bahnhofsvorplatz in Augsburg

Bahnhofsvorplatz in Augsburg

Ach ja, vor Gericht bekommt kein Recht, man bekommt ein Urteil, lautet ein altes Justizsprichwort, und jeder Strafverteidiger weiß, dass da was dran ist. Manchmal ist es auch ein Beschluss, den wir bekommen, das macht´s nicht unbedingt besser. Dennoch ziehen wir tagaus tagein durch die Gerichte der Republik und versuchen, ein wenig Recht und manchmal vielleicht sogar ein wenig Gerechtigkeit herzustellen.

Nachdem ich erst Sonntagnacht aus Mailand zurückgekommen war, habe ich am Montag in meiner Kanzlei in Mönchengladbach einige Büroarbeit erledigen und ein paar Mandantentermine wahrnehmen können.  Zwischendurch bin ich noch zu einem Knastbesuch nach Krefeld gefahren, um eine recht umfangreiche Akte mit einem dort inhaftierten jungen Mann zu besprechen, und dann ging´s nach Düsseldorf, wo ich um halb sechs in den Zug nach Augsburg gestiegen bin, weil beim dortigen Amtsgericht gestern Morgen ein Termin bei der Haftrichterin wahrzunehmen war. Es ging mal wieder um das sattsam bekannte Augsburger Umsatzsteuerkarussellverfahren. Gegen meinen seit 6 Monaten inhaftierten Mandanten sollte ein neuer Haftbefehl verkündet werden, weil die Staatsanwaltschaft meinte, zu neuen Erkenntnissen gekommen zu sein. Vielleicht sollte ja auch nur noch ein wenig Munition nachgeschoben werden, um die 6-Monats-Haftprüfung beim OLG zu bestehen.

Wesentliche neue Erkenntnisse standen nicht drin im neuen Haftbefehl, der mir vorab per Fax als Entwurf zugeleitet worden war. Die alten Positionen waren stereotyp wiederholt worden und der dringende Tatverdacht gegen meinen Mandanten wurde unter anderem damit begründet, dass er und zwei angeblich von ihm installierte Geschäftsführer wissentlich in das Karussell eingebunden gewesen seien und Rechnungen und unberechtigte Vorsteuererstattungen in Millionenhöhe veranlasst hätten. Vergeblich habe ich vorgetragen, dass die Staatsanwaltschaft bei Beantragung des neuen Haftbefehls offenkundig von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei und mehr von ihrer Fantasie als von Tatsachen lebe. So wurde im Haftbefehl schlichtweg die Tatsache unterschlagen, dass das OLG München den dringenden Tatverdacht gegen einen der beiden Geschäftsführer durch Beschluss verneint und den Haftbefehl gegen ihn aufgehoben hatte. Unberücksichtigt blieb auch, dass das Amtsgericht Augsburg die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den anderen Geschäftsführer mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt hat, weil diesem eine Mittäter – bzw. Mitwisserschaft nicht nachzuweisen sei. Aktenwidrig wurde behauptet, die Geschäftsführer hätten die Rechnungen gestellt, die tatsächlich weder ihre Unterschrift noch  ihren Namen oder ihre Firmenanschrift tragen. Es gibt auch sonst keinerlei Beweismittel, die darauf hindeuten, dass ihnen die Rechnungen zuzurechnen sind oder dass sie Kenntnis von den Konten hatten, auf welche die Vorsteuererstattungen geflossen sind. Gleiches gilt meines Erachtens auch für meinen Mandaten.

Dies und anderes habe ich ausführlich geltend gemacht und die Haftrichterin hat´s brav zu Protokoll genommen. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass ich einen Teil der Ermittlungsakten bislang noch nicht zu Gesicht bekommen habe, so dass deren Inhalt nicht zu Lasten meines Mandanten herangezogen werden könne. Und dass das Verfahren nicht mit der in Haftsachen erforderlichen Beschleunigung geführt worden ist, weil diverse Beweiserhebungen, die ich zur Entlastung meines Mandanten beantragt habe, schlichtweg nicht stattgefunden hätten.

Der Staatsanwalt hat ohne nennenswerte Gegenargumente beantragt, den Haftbefehl zu erlassen. Die mir noch nicht bekannten Aktenteile werde er mir demnächst zugänglich machen. Die Haftrichterin hat keine Sekunde überlegt und den Haftbefehl erlassen. Keinerlei Zaudern und Zögern, keine kritische Frage an die Staatsanwaltschaft, rein gar nichts. So geht das in Augsburg, und mich erschreckt das.  Da zählt die Freiheit eines Menschen nicht sonderlich viel, könnte man meinen.  Mal sehen, wie das OLG jetzt entscheidet, dort habe ich Einiges an Argumentation nachgeschoben, vielleicht findet´s ja Gehör. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Von Augsburg aus bin ich gestern am späten Nachmittag bei dichtem Schneetreiben  per Bahn (mit einer halben Stunde Verspätung, die  wundersamer Weise später wieder aufgeholt wurde) weitergefahren nach Mühlhausen in Thüringen, wo heute der zweite Verhandlungstag in einem Berufungsverfahren gegen den ehemals größten Reiseveranstalter des Landes stattfand. Über den ersten Verhandlungstag habe ich bereits berichtet, was heute passierte, schildere ich in einem anderen Blogbeitrag.

Jetzt sitze ich im Zug nach Düsseldorf, schlappe fünfeinhalb Stunden mit dreimal Umsteigen dauert die Fahrt. Da setze ich mich dann in mein Auto, und wenn alles klappt, werde ich gegen halb elf zuhause sein. Das reicht dann erst mal, Morgen ist ja ein neuer Tag.

 


Kategorie: Strafblog
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