Mord oder Selbstmord? Der vorhergesehene Tod eines regierungskritischen Staatsanwalts



Veröffentlicht am 20. Januar 2015 von

Argentinische Flagge

Argentinische Flagge

„Es könnte sein, dass ich wegen dieser Geschichte sterbe“, soll der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman am vergangenen Mittwoch einer Journalistin der Zeitschrift „Clarin“ gesagt haben, nachdem er Anklage gegen die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wegen Behinderung von Ermittlungen erhoben hatte. Am gestrigen Montag wollte Nisman seine Anklage vor dem Parlament in Buenos Aires erläutern. Dazu kam es jedoch nicht. In der Nacht von Sonntag auf Montag ist der streitbare Jurist in seiner Wohnung an den Folgen eines Kopfschusses verstorben. Nach Darstellungen in argentinischen Medien soll er am Montagmorgen tot im Badezimmer vorgefunden worden sein. Neben ihm auf dem Boden habe Behördenberichten zufolge eine Pistole und eine Patronenhülse gelegen.

Laut einem aktuellen Bericht bei zeit.de soll die inzwischen erfolgte Autopsie auf Selbstmord hindeuten. Die mit den Ermittlungen beauftragte Bundesstaatsanwältin Viviana Fein habe mitgeteilt, dass bei den Untersuchungen der Gerichtsmediziner keine Fremdeinwirkung festgestellt wurde. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass ihr Kollege zu einem Suizid gezwungen oder erpresst worden sei.

Nisman war mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des schlimmsten Terroranschlages  in der jüngeren argentinischen Geschichte beauftragt worden. Im Jahr 1994 war auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in der argentinischen Hauptstadt ein Attentat verübt worden, bei dem 85 Menschen ums Leben kamen und mehrere Hundert verletzt wurden. Laut Nismans Erkenntnissen  – so schreibt spiegel-online – sollen iranische Geheimdienstkreise und ranghohe iranische Politiker in den Anschlag verwickelt gewesen sein, darunter der ehemalige iranische Kulturattaché in Argentinien, Mohsen Rabbani, Irans Ex-Außenminister Ali Akbar Rafsandschani, Ex-Verteidigungsminister Ahmad Wahidi, und der frühere Chef der Revolutionswächter, Mohsen Resai. Deshalb hatte er diese und einige weitere Iraner angeklagt und internationale Haftbefehle gegen sie beantragt.

Der Präsidentin sollen die Aktivitäten des Staatsanwalts gegen den Strich gegangen sein. Sie soll versucht haben, das Verfahren gegen die Iraner zu hintertreiben, um nicht die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran zu gefährden. Konkret soll es um groß angelegte Getreidelieferungen in den Iran und um den Bezug von Erdöl von dort gehen.

Fernández de Kirchner habe nach Veröffentlichung der Anklage gegen die Iraner die Einsetzung einer „Wahrheitskommission“ vorgeschlagen, um die Umstände des Anschlages aufzuklären, wird berichtet. Israel und verschiedene jüdische Interessengruppen hätten dagegen protestiert. Das sei so, als ob die Nazis beauftragt worden wären, die Umstände der Reichskristallnacht aufzuklären, lautete eines der Argumente. Ein Gericht hatte die Initiative der Präsidentin schließlich gestoppt.

So recht will es nicht einleuchten, dass Nisman sich freiwillig selbst getötet haben könnte. Die Kongressabgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann hatte Nisman am Montagmorgen auf dem Weg zum Kongress abholen wollen. Ihren Angaben zufolge habe Nisman sich gegenüber jedem, den er in den letzten 24 Stunden gesprochen habe, optimistisch über den Verlauf der bevorstehenden Anhörung geäußert. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass er sich selbst hätte töten wollen.

Die argentinische Regierung hatte Nismans Anschuldigungen zuvor als „lächerlich“ bezeichnet. Der wiederum wird mit der kurz vor seinem Tod getätigten Äußerung zitiert: „Die Präsidentin und der Außenminister haben die kriminelle Entscheidung getroffen, Irans Unschuld in dem Fall zu fabrizieren, um Argentiniens politische, wirtschaftliche und geopolitische Interessen zu schützen.“ In der argentinischen Metropole sind gestern tausende Menschen auf die Straße gegangen und haben Aufklärung gefordert. „Yo soy Nisman“ (Ich bin Nisman) soll auf etlichen Plakaten gestanden haben.

Auf ihrer Internetseite hat die Präsidentin verlauten lassen, Nismans Selbstmord erzeuge „Benommenheit und Fragen“. Laut zeit.de soll hinter das Wort „Selbstmord“ später ein Fragezeichen gesetzt worden sein.

Wie heißt es doch: Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her…


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