Mühelose Anklageschrift auf Erstsemester-Niveau – Mal sehen, was das Amtsgericht damit macht



Veröffentlicht am 22. August 2013 von

Im Laufe der Jahre ist man als Strafverteidiger ja ziemlich viel an juristischer Schusseligkeit gewohnt, wenn es um den Inhalt von Anklageschriften geht. Die werden anscheinend nicht selten mit heißer Nadel gestrickt und selbst das Minimum an Schlüssigkeit bleibt da bisweilen auf der Strecke. So ein leider gar nicht mal besonderes Exemplar einer Anklage wurde mir gestern von einem Mandanten übermittelt, der gravierend spielsüchtig ist und deshalb schon einige Verfahren gegen sich laufen hatte.

Im Hinblick darauf, dass es rechtlich umstritten ist, inwieweit das Zwischenverfahren schon eine „Gerichtsverhandlung“ im Sinne des § 353d Abs. 3 StPO darstellt und ob in diesem Verfahrensstadium wörtlich aus der Anklageschrift zitiert werden darf, gebe ich deren dürftigen Inhalt unter Weglassung der Bezeichnung der Spielhalle inhaltlich wie folgt wieder:

Dem Angeschuldigten wird Betrug zur Last gelegt. Zum Tatgeschehen heißt es:  Der Angeschuldigte habe sich am Tattag in einer Spielhalle 200 Euro Münzgeld geben lassen, ohne zu beabsichtigen, einen entsprechenden Gegenwert in Scheinen zu übergeben.

Mehr steht da nicht. Jede weitere Konkretisierung fehlt. Das darf vielleicht einem Jurastudenten im ersten Semester passieren, aber nicht – wie im vorliegenden Fall – einem erfahrenen Oberamtsanwalt.

Ich habe mir neulich von meiner Sekretärin aus der Kanzleikasse ein paar Euros aushändigen lassen und dabei auch nicht beabsichtigt, ihr den Gegenwert in Scheinen oder anderweitig zu erstatten. Ich benötigte das Geld schlichtweg als Spesen für die Wahrnehmung eines auswärtigen Termins. Habe ich mich jetzt auch wegen Betruges strafbar gemacht?

Die Anklage lässt Fragen offen. Hat der Angeschuldigte sich das Münzgeld als Wechselgeld geben lassen und ist dann damit weggerannt, ohne den Gegenwert in Scheinen zu zahlen? Eine eher unwahrscheinliche Variante, das stünde dann wohl doch in der Anklageschrift. Hat er versprochen, zu einem späteren Zeitpunkt die 200 Euro in Scheingeld zu übergeben und dieses Versprechen dann gebrochen? Falls ja, hatte er vielleicht Geld dabei, als er sich das Münzgeld geben ließ, und hat dieses dann entgegen seiner Absicht, die 200 Euro später zu bezahlen, verzockt, weil er halt spielsüchtig ist? Oder hat er gar gesagt, dass er kein Geld dabei hat und erst am nächsten Tag zahlen wird? Wusste die Spielhallenmitarbeiterin, die ihm das Geld gegeben hat, vielleicht von seiner Spielsucht, weil der Fall des Mannes über die regionalen Grenzen hinaus durch Presse- und Fernsehberichterstattung bekannt ist? Dann wäre das wohl kein Betrug, würde ich mal sagen. Wer einem Spielsüchtigen Geld gibt, um damit an Automaten zu zocken, der muss damit rechnen, dass alles etwa vorhandene Geld verspielt wird, das liegt im Wesen der Sucht.

Wie dem auch immer sei, fest steht, dass in die Anklage explizit hineingehört, worüber denn getäuscht worden ist und worin sich der Getäuschte geirrt hat. Da reicht es einfach nicht aus, dass sich der Adressat schon zusammenreimen kann, was wohl gemeint ist.

Ich überlege jetzt, ob ich Einwendungen gegen die Eröffnung des Haptverfahrens erheben oder abwarten soll, ob das Amtsgericht die Anklage unverändert zulässt. Das würde dann auch ein gewisses Licht auf die Gewissenhaftigkeit des Gerichts werfen.

 


Kategorie: Strafblog
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