Reden ist Schweigen und Silber ist Gold, oder wie war das nochmal?



Veröffentlicht am 5. Juli 2013 von

„Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philosoph geblieben“, lautet ein anderes Sprichwort über das Reden, und auch wenn man sich über die philosophischen Qualitäten von schweigenden Beschuldigten bisweilen streiten kann, ist es im Strafverfahren ganz häufig so, dass Schweigen die bessere Verteidigung ist. Das gilt jedenfalls so lange, bis man einen Verteidiger konsultiert hat. Ich habe in den letzten Tagen wieder etliche Male erlebt, dass Mandanten das Schweigegebot missachtet und sich dadurch in erhebliche Bredouille gebracht haben. Eine Mandantin, die ich in einer Steuerstrafsache verteidige und der ich für den Fall einer Festnahme deutliche Verhaltensratschläge erteilt hatte, war von der Steuerfahndung aufgesucht und tatsächlich vorläufig festgenommen worden. Die Frau hat in dem ganzen Stress einfach vergessen, mich anzurufen, wie sie mir sagte, und sich stattdessen ohne Not in der sehr heiklen Sache gegenüber den Ermittlern geäußert. Das kann zu irreparablen Problemen führen. Gestern  suchte mich ein akademisch gebildeter Mandant auf, dem ein – ebenfalls heikles – Sexualdelikt zur Last gelegt wird. Der Mann ist erst Mal zur Polizei gegangen und hat sich umfassend vernehmen lassen. Das, was er mir über die Vernehmung und sein eigenes Aussageverhalten berichtete, hörte sich nicht unproblematisch an. Der Polizist sei anfangs freundlich und später zunehmend ungnädig gewesen, meinte der Mandant, und irgendwie habe er sich da wohl auch unglücklich geäußert und das Ganze gar nicht mehr durchschaut. Beim Durchlesen der Vernehmung sei er mit etlichen Formulierungen nicht einverstanden gewesen, aber der Vernehmungsbeamte sei ungeduldig gewesen und habe darauf gedrängt, er solle sich beeilen und jetzt endlich unterschreiben. Fünf Minuten nach der Vernehmung sei ihm klar geworden, dass er besser schon vorher zum Anwalt gegangen wäre.

In einer Stunde verteidige ich vor dem Landgericht Mönchengladbach in einer Betäubungsmittelsache. Da waren zwei Beschuldigte bei der Übergabe von 10 Kilo Cannabis von der Polizei aufgegriffen worden. Einer von beiden hat dann auch gleich eine umfassende Aussage gemacht und angegeben, dass er von dem anderen schon seit 2 Jahren regelmäßig beliefert werde. Der bestreitet das, aber es ist fraglich, ob das hilft. Jedenfalls werden den Beiden jetzt  52 Taten mit insgesamt rund 300 Kilo Cannabis vorgeworfen, was die ohnehin nicht kärgliche Straferwartung in den Himmel steigen lässt. Warum halten die Leute bei der Polizei nicht die Klappe und sprechen zuerst einmal mit einem Anwalt, frage ich mich auch nach Jahrzehnten Strafverteidigererfahrung immer wieder. Die Selbstbelastungstendenz ist einfach unglaublich, uns Strafverteidigern macht das die Verteidigung nicht leichter. Und bisweilen werden den Mandanten bei Vernehmungen auch Sachen in den Mund gelegt, die sie so gar nicht gesagt oder begangen haben. Deshalb noch einmal: Reden ist oft nicht einmal Silber sondern allenfalls Blech, Schweigen ist dann doch eher Gold.

 


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