Rüder Galopp auf der Zielgeraden im Piratenprozess



Veröffentlicht am 6. September 2012 von

Das Beweisprogramm der Kammer ist abgearbeitet, alle bis dahin gestellten Anträge der Verteidigung waren gestern morgen erledigt, die Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Bernd Steinmetz will zum Ende kommen im bald zwei Jahre währenden Piratenprozess. Wenn es nach mir ginge, wäre das Verfahrens längst zu Ende, aber da gibt es noch Widerstände, die auf einer anderen prozessualen Interessenlage beruhen.

Gestern ging es im Wesentlichen noch um Anträge der Verteidigung von zwei Angeklagten, mit denen die Beiziehung von Aussagen des Mitangeklagten Khalief D. durchgesetzt werden sollte. D. hatte im März 2012 umfassende Angaben zur Sache gemacht und dabei einige der anderen angeklagten Somalis erheblich belastet. Die hatten sich dagegen gewehrt und Khalief D. als den eigentlichen Anführer und Mitorganisator der Kaperung der MS Taipan bezeichnet. D. wiederum hatte sich geweigert, Fragen der Verteidiger der  anderen Angeklagten zu beantworten. Er werde aber auch weiterhin mit den Behörden zusammenarbeiten. Offensichtlich ist D. außerhalb der Hauptverhandlung ein oder mehrere Male durch die Ermittlungsbehörden vernommen worden, aber die Staatsanwaltschaft verweigert die Herausgabe der betreffenden Akten oder Vernehmungen, weil Verfahren gegen andere, hier nicht angeklagte Personen eingeleitet worden seien und durch eine Einsicht in die Akten oder Aktenteile der Ermittlungszweck dieser Verfahren gefährdet wäre.

Das wiederum wollen die Verteidiger der anderen Angeklagten nicht hinnehmen, weil sie der für mich durchaus nachvollziehbaren Auffassung sind, dass sich aus den Vernehmungen Hinweise ergeben könnten, die für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit D.´s von Bedeutung sind. Die Staatsanwaltschaft beruft sich  bei ihrer Weigerung, die Vernehmungen vorzulegen, auf § 477 Abs. 2 S. 1 StPO, was die Kammer für zulässig hält, die Verteidigung argumentiert dagegen. Die Kammer verwirft alle Anträge der Verteidigung nach vorheriger Einholung der Stellungnahme der StA, und die fällt – nicht zum ersten Mal –  vorgetragen von Oberstaatsanwalt Giesch-Ralf –  recht rüde aus. Eine „bösartige Unterstellung“ wirft er einem Verteidiger vor, von „absichtlicher Fehlinterpretation“ ist die Rede, „falsche Wiedergabe von Tatsachen“ wird geltend gemacht. „Selbst Ihnen unterstelle ich, dass Sie unterscheiden können …“, meint der Staatsanwalt in recht geringschätzender Weise, „Selbst Sie sind in der Lage, festzustellen …“ etc. Der Vorsitzende interveniert nicht, erst als ich als nicht von diesen Anwürfen betroffener Verteidiger moniere, dass die Sitten zu verrohen scheinen, reagiert er mit der Bemerkung, er begrüße jeden Beitrag zur Versachlichung.

Heute geht es weiter, vielleicht kommt es ja zu einer erneuten Beendigung der Beweisaufnahme und zu den Plädoyers. Oder es kommen neue Anträge,  mal sehen …

 

 

 

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Rüder Galopp auf der Zielgeraden im Piratenprozess
Schlagworte: