Schlampige Haftbefehle und der Wert der Freiheit



Veröffentlicht am 19. August 2013 von

Dass Haftbefehle oft nicht einmal die absoluten rechtsstaatlichen Mindeststandards einhalten, weiß jeder Strafverteidiger zu berichten. Bisweilen ist es erschreckend, wie wenig Mühe Haftrichter darauf verwenden, auch nur so zu tun, als hätten sie sich ernsthaft Gedanken über die Angelegenheit gemacht oder die Ermittlungsakte auch nur ansatzweise gelesen. Ich kann hierzu zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit beisteuern:

In einem Fall geht es um einen eigentlich ganz banalen Vorwurf, der vor dem Einzelrichter angeklagt ist. Da soll ein Beschuldigter zu Unrecht einen Doktortitel führen und sich in drei Fällen wegen Urkundendelikten verdächtigt gemacht haben, indem er bei einer Liechtensteiner Bank gefälschte Kontoauszüge anderer Banken vorgelegt hat, um dort ein Konto zu eröffnen. Warum dringender Tatverdacht bezüglich der Urkundenfälschung besteht, wird im Haftbefehl nicht näher dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, weil der Bank – von wem auch immer – ganz offensichtlich nur Kopien von Kontoauszügen vorgelegt worden sein sollen, die als solche erkennbar waren und nicht den Anschein von Originalkontoauszügen erweckten. Genau das ist aber nicht tatbestandmäßig, das sollte eigentlich jeder Jurastudent im dritten Semester wissen.

Zur Fluchtgefahr heißt es im Haftbefehl lapidar, diese ergebe sich aus den bekannten Umständen. Welche das sind, steht da nicht. In der Kürze liegt die Würze, hat sich der Richter vielleicht gedacht, ist doch eh Alles klar.

In einem anderen Fall geht es um zwei Steuerberater, die gegen Provision Schein- und Abdeckrechnungen an ihre Klientel verteilt und für diese verbucht haben sollen. 30 Prozent Provision hätten sie jeweils kassiert, heißt es da, insgesamt fast 6 Millionen Euro. Hochgerechnet wären das Scheinrechnungen in einer Gesamthöhe von fast 18 Millionen Euro. Die Mandaten waren sehr erstaunt über die Vorwürfe. Abgesehen davon, dass sie bei weitem keine siebenstelligen Beträge kassiert hätten, konnten sie sich eine solche Größenordnung von Scheinrechnungen nicht erklären. Letzte Woche fand ein Vernehmungstermin mit der Steuerfahndung statt. Die dortigen Ermittler waren auch erstaunt über die Größenordnungen, die im Haftbefehl angegeben waren. Es stellte sich schnell heraus, dass dort die Bruttorechnungsbeträge im Haftbefehl irrtümlich als Provisionen deklariert worden waren, das hat die ohnehin nicht gerade geringfügige Sache dann doch nochmal ziemlich aufgebläht. Der Staatsanwalt, der den Haftbefehl beantragt hat, und der Haftrichter haben´s nicht bemerkt.

Im ersten Fall hat das Beschwerdegericht nachgebessert und sowohl die Urkundenfälschung aus dem Haftbefehl rausgenommen als auch die angebliche Fluchtgefahr konkretisiert. So richtig überzeugend ist das für mich auch nicht, aber immerhin ist der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

Im zweiten Fall scheint es so zu sein, dass jetzt auch die Steuerfahndung und das Finanzamt davon ausgehen, dass nur recht geringe Provisionen kassiert wurden bzw. dass insoweit zugunsten der Beschuldigten nicht von einem dringenden Tatverdacht bezüglich höherer Beträge ausgegangen werden kann. Eine Haftverschonung steht auch hier in Aussicht. Das ist ja schon Mal was.

Die Freiheit ist ein viel zu hohes Gut, als dass man da nachlässig sein dürfte, wenn es um die Prüfung und Darlegung der Voraussetzungen für einen Haftbefehl geht, finde ich. Da weiß ich mich auch in guter Gesellschaft mit der strafrechtlichen Literatur und der obergerichtlichen Rechtsprechung. Nur, dass die Rechtswirklichkeit da oft ganz anders ist …

 


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