„Wir müssen noch einmal über Ihr Honorar reden, Herr Pohlen“, meinte der Mandant zu mir, nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, dass die Staatsanwaltschaft das durchaus delikate Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt hatte. „Das ist schön, dass Sie den schnellen und durchschlagenden Erfolg mit einem Sonder-Obulus belohnen wollen“, antwortete ich dem verdutzten Mann mit einer aus der Routine solcher Diskussionen erwachsenen Schlagfertigkeit. „Das frühzeitige Ende des Ermittlungsverfahrens schont ja Ihre Nerven und gibt Ihnen die Möglichkeit, sich jetzt wieder auf andere Dinge zu konzentrieren.“
„Ich dachte eigentlich, dass Sie das Honorar reduzieren müssten, Sie haben ja gar nicht viel getan“, kam die nicht ganz unerwartete Replik. „Sie haben ja nur zwei Briefe geschrieben!“ „What a worst!“, würde Helge Schneider jetzt vielleicht geantwortet haben. Tatsächlich hatte ich Einsicht in die mittelmäßig umfangreiche Akte genommen, den Akteninhalt mit dem Mandanten erörtert und dann eine umfangreiche Verteidigungsschrift mit Einlassung zur Sache und rechtlicher Stellungnahme abgegeben, wobei ich meine ganze Erfahrung in solchen Verfahren einschließlich umfangreicher gutachtenartiger Ausführungen zur Nullhypothesen-Theorie in Sexualstrafsachen eingebracht hatte. Im Falle einer Verurteilung hätte dem Mandanten mit Sicherheit eine mehrjährige, nicht bewährungsfähige Freiheitsstrafe gedroht. So ganz nebenbei hatte ich die Sache auch noch mit der zuständigen Staatsanwältin erörtert, die schließlich auch im Hinblick auf meine Ausführungen auf die Einholung eines aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachtens verzichtet hatte. Als ich mandantiert wurde, war der Mann mit den Nerven ziemlich fertig gewesen, der Vorwurf lastete auf ihm und er beteuerte seine Unschuld. Ich hatte mit ihm ein der Bedeutung der Sache angemessenes Honorar vereinbart, natürlich schriftlich und unter Berücksichtigung aller rechtlichen Vorgaben, so was hat man ja nach fast drei Jahrzehnten Strafverteidigung auf der Palette.
„Fänden Sie es besser, wenn das Verfahren weiterlaufen und irgenwann in eine Anklageerhebung mit allen Risiken einer Verurteilung münden würde?“, fragte ich ihn. „Und natürlich mit weiteren Kosten für Sie für jeden Verhandlungstag, so, wie wir das vereinbart haben? Hätte ich dann mein Honorar eher verdient?“ „Nein, natürlich nicht, aber Sie müssen doch zugeben, wirklich viel haben Sie nicht tun müssen für ihr Geld!“
Ich habe dem Mandanten noch kurz das Gleichnis von dem chinesischen Maler erzählt, der von einem reichen Kunden beauftragt wurde, ihm ein Bild von einem Hahn zu malen. Weil der Maler sehr berühmt war, wurde ein hoher Preis für das Bild vereinbart und der Maler verlangte Vorkasse. Nach ein paar Monaten fragte der Kunde, was denn mit seinem Bild sei, und der Maler antwortete, es dauere noch. Ein paar Monate später fragte der Kunde wieder nach, die Antwort war dieselbe. So vergingen 7 Jahre. Der Kunde wurde schließlich ungeduldig und setzte ein Ultimatum. „Komme am Sonntag vorbei, dann bekommst du dein Bild“, ließ ihn der Maler wissen. Als der Kunde kam, führte der Künstler ihn in eine große, fast leere Scheune, in deren Mitte eine Staffelei mit einer weißen Leinwand stand. Davor lag eine Palette mit Pinseln und Farben. „Warte einen kurzen Augenblick“, sagte der Maler und griff zum Werkzeug. Innerhalb weniger Minuten zauberte er einen wunderschönen Hahn auf die Leinwand. Der Kunde wunderte sich und meinte: „Sieben Jahre habe ich warten müssen, dass du mir in wenigen Minuten diesen zugegebenermaßen meisterhaften Hahn malst. Meinst du nicht, dass der vereinbarte Preis für das Bild in Anbetracht dieser Tatsache reichlich überhöht ist?“ „Komm mit“, antwortete der Maler und führte den Kunden in eine andere Scheune, in der unzählige Skizzen und Bilder von Hähnen standen. „Siehst du“, sagte er, „sieben Jahre habe ich gebraucht, um dir heute in wenigen Minuten diesen wunderschönen Hahn malen zu können!“.
Mein Mandant hat mir zugesagt, das Resthonorar kurzfristig zu überweisen. Von einem Sonder-Obulus für die besonders schnelle und erfolgreiche Verteidigung hat er nichts gesagt.
Kategorie: Strafblog
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