Vor einigen Wochen beauftragte mich ein Mandant mit seiner Verteidigung in einem Ermittlungsverfahren wegen Betruges und Insolvenzvergehens. Die Delikte soll er als Geschäftsführer einer GmbH begangen haben. Er sei nur wenige Tage aus Gefälligkeit gegenüber seinem Bruder Geschäftsführer gewesen, habe aber de facto keinerlei Tätigkeiten entfaltet und die Geschäftsführung dann niedergelegt, teilte mir der Mandant mit. Wir haben darüber gesprochen, dass bei den Insolvenzdelikten die bloß formale Geschäftsführung zur Strafbarkeit führen kann,während bei den vorgeworfenen Betrugstaten jedenfalls Wissen und (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich sei. Das hat er verstanden. Die Kosten der Verteidigung werde sein Bruder übernehmen, meinte der Mandant, der sei schließlich für das Ganze verantwortlich. In Anwesenheit des Mandanten habe ich seinen Bruder angerufen, der mir bestätigte, für die Kosten aufkommen zu wollen. Darüber habe ich einen Aktenvermerk gefertigt und den Mandanten gebeten, für eine Vorschussanweisung Sorge zu tragen. Dann habe ich die Akte angefordert. Was kam, war die knapp 200 Seite starke Akte, was nicht kam, war der Vorschuss. Ich habe den Mandanten angerufen und ihm gesagt, dass eine Besprechung der Akte nur nach Vorschusszahlung erfolgen könne. Das hat er eingesehen. Er werde sich mit seinem Bruder in Verbindung setzen. Der rief mich dann an und legte los.
Die Angelegenheit sei ja ganz einfach, erklärte er mir, ich müsse ja allenfalls 1 oder 2 Schreiben an die Staatsanwaltschaft richten, dann werde das Verfahren gegen seinen Bruder eingestellt. Mehr als 500 Euro könne das ja nicht kosten. Er habe da seine Erfahrungen. Er habe einen Frankfurter Anwalt, der sogar einen Adelstitel im Namen trage, der fordere nicht einmal soviel. Ich habe dem Mann erklärt, dass ich zur Sache selbst noch nicht viel sagen könne, weil ich mangels Vorschusszahlung die Akte noch gar nicht gelesen hätte. Außerdem bestimme nicht er die Höhe des Honorars. Sein Bruder sei mein Mandant und nicht er. Und mit dem hätte ich halt eine Vorschusszahlung in anderer Höhe vereinbart. Das sei gelogen, erklärte mir mein Gesprächspartner. Er sei ja selbst bei dem Gespräch anwesend gewesen. Über einen solchen Betrag sei nicht gesprochen worden. Vergeblich versuchte ich, den Mann daran zu erinnern, dass sein Bruder ganz alleine bei mir gewesen war und dass ich ihn sogar noch angerufen hätte. Ich las ihm sogar ausschnittsweise meinen Aktenvermerk vor, in dem ich das niedergelegt hatte. „Sie lügen, Herr Rechtsanwalt!!!“, meinte mein Gesprächspartner ungerührt, „Ich kündige hiermit das Mandat“. Ich erinnerte noch kurz daran, dass er nicht das mir von seinem Bruder erteilte Mandat kündigen könne, das müsse dieser schon selbst tun. Dann beendete ich das Telefonat. Mit einem Kopfschütteln diktierte ich ein Anschreiben an meinen Mandanten ab.
Kurz darauf klingelte das Telefon. Der Bruder meines Mandanten meldete sich. Er wolle sich entschuldigen. Er habe sich geirrt. Er habe mit seinem Bruder telefoniert, der sei tatsächlich ohne ihn bei mir gewesen. Da müsse er etwas durcheinander geworfen haben. Und ja, über den Vorschuss sei auch eine Vereinbarung mit dem Bruder getroffen worden. Aber das sei zu teuer. Er werde sich überlegen, ob er das bezahlen wolle. Und außerdem sei er knapp bei Kasse. Ach ja, und die Sache sei ja auch ganz einfach und erfordere keinen nennenswerten Aufwand. Der Bruder sei ja nur ganz kurz Geschäftsführer gewesen. Da reichten doch ein oder zwei Schreiben an die Staatsanwaltschaft.
Ich habe das Gespräch nach wenigen Minuten beendet. Dann habe ich das Diktat für das Anschreiben an meinen Mandanten gelöscht und ein neues Schreiben diktiert. Jetzt warte ich, ob der vereinbarte Vorschuss kommt. Wenn nicht, werde ich das Mandat beenden. Das habe ich in meinem Diktat auch angekündigt. Mal sehen, was passiert.
Kategorie: Strafblog
Permalink: „Sie lügen, Herr Rechtsanwalt!!!“ Über die Schwierigkeiten, zum Honorar zu kommen.
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