Spaniens Rechte triumphiert: Berufsverbot gegen Richter Baltasar Garzón



Veröffentlicht am 10. Februar 2012 von

Ende der 90er Jahre wurde er zum wohl bekanntesten Richter der Welt. Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, Mitglied der Audiencia Nacional in Madrid,  erließ einen Haftbefehl gegen Chiles berüchtigten Ex-Diktator Augusto Pinochet und ließ den greisen General und Senator auf Lebenszeit in London unter Arrest stellen. Unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip bei Verbrechen  gegen die Menschlichkeit ermittelte er später auch gegen Mitglieder der argentinischen Militärdiktatur, gegen Regierungsangehörige der US-amerikanischen Bush-Administration im Zusammenhang mit Foltervorwürfen in Guantánamo, sowie gegen hochrangige Mitglieder der spanischen Franco-Diktatur. Selbst vor Ermittlungen gegen einen Schwiegersohn des spanischen Königspaares schreckte er nicht zurück.

Jetzt hat das konservative spanische Establishment zurückgeschlagen. Gegen den ausdrücklichen Antrag der Staatsanwaltschaft verurteilte Spaniens Oberster Gerichtshof, das Tribunal Supremo in Madrid, den unbequemen Richter wegen Rechtsbeugung einstimmig mit allen 7 Richterstimmen zu einer Geldstrafe und verhängte, was das berufliche Aus für Garzón bedeutet, ein elfjähriges Berufsverbot gegen ihn. Als Vorwand diente eine von Garzón mit ausdrücklicher Zustimmung der Staatsanwaltschaft inszenierte Abhöraktion gegen korruptionsverdächtige Regionalpolitiker der jetzigen konservativen Regierungspartei Partido Popular (PP) und ihre Anwälte, die nach Auffassung des Richters und der Staatsanwaltschaft unter dem Verdacht der Geldwäsche standen. Die Anordnung der Abhörmaßnahme sei rechtswidrig gewesen, meinte das Gericht und stelle deshalb eine vorsätzliche Rechtsbeugung dar.

Spaniens Rechte jubiliert. Lange genug hat es gedauert, einen unbequemen Richter, der als früherer Parlamentarier der sozialistischen PSOE auch nicht davor zurückgeschreckt war, gravierende Vorwürfe gegen seinen Parteifreund und ehemaligen Ministerpräsidenten Gonzales zu erheben, los zu werden.

Gegen Garzón sind noch weitere Verfahren wegen Verdachts der  Rechtsbeugung und wegen angeblicher anderer Delikte anhängig, die teilweise von rechtsextremen Organisationen, darunter die franquistische Falange, eingeleitet wurden. Ein Vorwurf lautet, dass er trotz eines Amnestiegesetzes von 1977 Ermittlungen gegen Folterknechte der Frankoditaktur eingeleitet und  sich damit über das Gesetz gestellt habe. Garzón beruft sich dem gegenüber darauf, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach internationalem Recht nicht amnestiert werden können.

Es geht wohl – wie spanische und internationale Menschenrechtsgruppen meinen – darum, einen mutigen Streiter gegen die Diktatur und für die Achtung von Menschenrechten endgültig mundtot zu machen. Welcher Richter soll jetzt noch den Mut haben, sich gegen Verbrechen der Rechten und gegen die alltägliche Korruption der Mächtigen aufzulehnen?

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Abhörmaßnahmen gegen Anwälte müssen ultima ratio bleiben und können nur in ganz  engen Grenzen gerechtfertigt sein. Ob diese Grenzen von Garzón im konkreten Fall eingehalten wurden, bedarf genauer Überprüfung. Die Staatsanwaltschaft hat sich insoweit jedenfalls auf seine Seite gestellt. Fest steht, dass die spanische Justiz in zahlreichen anderen Abhörfällen auch gegen Anwälte andere Maßstäbe angelegt hat. Der Fall Garzón ist der erste Fall, in dem ein Richter von seinen Kollegen auf derartige Weise kalt gestellt wird. Rechten Richtern ist das jedenfalls noch nicht widerfahren.

Es wird abzuwarten bleiben, ob Garzón den Fall vor den Europäischen Gerichtshof trägt.

 


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