Tankbetrug? So vergesslich kann man doch nicht sein, oder doch?



Veröffentlicht am 23. Juli 2013 von

Gestern habe ich eine Berufungshauptverhandlung vor einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach in einem Verfahren wegen Tankbetruges wahrgenommen. Eine Bagatelle eigentlich, aber der Mandant war erstinstanzlich wegen einer (inzwischen längst bezahlten) Tankrechnung von 25 Euro zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Und der Erlass einer anderen, deutlich höheren Bewährungsstrafe war wegen des Verfahrens zunächst einmal zurückgestellt worden, so dass insgesamt vollstreckbare Strafen von rund einem Jahr im Raum standen.

Normalerweise wird niemand wegen 25 Euro zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, aber vorliegend gab es etliche, teils sehr  einschlägige Vorstrafen, und dann genügt bisweilen ein kleiner Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Der in Rede stehende Vorfall liegt schon mehr als eineinhalb Jahre zurück. Der Mandant war zu seiner Stammtankstelle gefahren und hatte für 25 Euro getankt. Bargeld hatte er nicht dabei und seine EC-Karte spuckte beim Versuch der Bezahlung kein Geld aus. Er verstehe das nicht, meinte der Mann zu der Kassiererin, Kontodeckung sei ganz sicher vorhanden. Jedenfalls unterzeichnete er ein Schuldanerkenntnis und verpflichtete sich, die Rechnung innerhalb der nächsten Tage zu begleichen. Das tat er nicht, obwohl er noch mehrfach von dem Tankstellenbetreiber telefonisch angemahnt wurde und jedes mal prompte Zahlung versprach. Schließlich wurde es dem Betreiber zu bunt, und er erstatte Strafanzeige wegen Betruges. Erst nachdem er einige Zeit später eine polizeiliche Vorladung erhalten hatte, zahlte der Mann den Bagatellbetrag endlich.

Ähnliches war ihm in der Vergangenheit schon mehrfach widerfahren, auch bei anderen Tankstellen, und deshalb war er wiederholt wegen Betruges verurteilt worden. Ein paar einschlägige Verfahren waren auch eingestellt worden.

Ich habe  versucht darzulegen, dass der Mann einfach eine reichlich konfuse Persönlichkeitsstruktur hat und Dinge vergisst, die man normalerweise schlechterdings nicht vergessen kann. Jedenfalls nicht so oft und erst Recht nicht, wenn es so sehr unter den Nägeln brennt. Auf der anderen Seite: Welchen Sinn soll es machen, zu seiner Stammtankstelle zu fahren und dort für gerade mal 25 Euro zu tanken, wenn man tatsächlich einen Tankbetrug begehen will, habe ich gefragt. Fährt man dann nicht eher zu einer fremden Tankstelle, tankt voll und verschwindet, ohne sich namhaft zu machen und einen Bezahlversuch vorzugaukeln? Natürlich, es gibt an praktisch allen Tankstellen heute Kameraüberwachung, insoweit wäre auch das ziemlich dumm, wenn man mit dem eigenen Auto unterwegs ist. Tatsache ist: Der Mann leidet – was durch ärztliches Attest belegt ist – an einer adulten Formvon ADHS (Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom) , er ist einfach unstrukturiert, hyperaktiv, unkonzentriert, vergesslich. Dies dürfte der Hauptgrund für sein selbstschädigendes Verhalten sein. Seit mehr als einem Jahr wird er therapiert, nimmt ein ritalinähnliches Medikament und lernt Strukturen. Jetzt klappen plötzlich Dinge, die früher oft nicht geklappt haben, selbst seine Termine bei mir hält er weitestgehend ein.

Ich habe angeregt, das Verfahren gegen eine moderate Geldauflage einzustellen. Ansonsten müssten Beweisanträge gestellt und gegebenenfalls kostenintensive psychologische oder  medizinisch-psychiatrische Gutachten eingeholt werden. Bei den in Rede stehenden 25 Euro Schaden wäre das doch reichlich unverhältnismäßig, so dass sich eine pragmatische Lösung anbiete. Die sehr junge Staatsanwältin tat sich zunächst schwer, der vorgeschlagenen Verfahrensweise zuzustimmen. Vielleicht wollte sie sich ja nicht durch einen erfahrenen Verteidiger überrumpeln lassen. Der Vorsitzende Richter wartete geduldig darauf, ob sich die Staatsanwältin zu einer Entscheidung durchringen könnte. Da kam aber nichts.  Ich habe angeregt, dass die Kammer vielleicht Stellung bezieht und ihrerseits einen Vorschlag macht. Die Kammer zog sich zur Beratung zurück und meinte dann, dass sie eine Verfahrenseinstellung unter einer Zahlungsauflage von 400 Euro  für angemessen halte. Der Betrag könne zu Gunsten einer karitativen Einrichtung für autistische Personen gezahlt werden. Das sei ja auch ein psychischer Defekt, der vielleicht ein wenig mit ADHS  zu vergleichen sei.

So ist es dann auch gekommen. Die Staatsanwältin hat einen entsprechenden Antrag gestellt, und mein Mandant hat gerne zugestimmt. Damit dürfte auch dem Straferlass in der anderen Bewährungssache nichts mehr im Wege stehen.

Ich hoffe jetzt für den Mandanten, dass er sich selbst und sein Leben weiter auf die Reihe bekommt, ohne dass es zu Wiederholungen kommt, die dann doch noch eine umfassende psychologische bzw. psychiatrische Aufarbeitung seiner Probleme erforderlich machen. Aber da ist er auf einem guten Weg, denke ich.

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Tankbetrug? So vergesslich kann man doch nicht sein, oder doch?
Schlagworte: